Aber bitte mit Soja.
Kaum ein Thema hat die Kommunikation von Unternehmen in den letzten Jahren so maßgeblich verändert wie das der Nachhaltigkeit. Vom raffinierten Start-up bis zum Raffinerie-Konzern: Überall springen uns demütige Bekenntnisse und ehrgeizige Ziele an. Doch während es bisher stark darum ging, die eigenen Geschäftsmodelle und Produkte als nachhaltig anzupreisen, rückt zunehmend ein weiteres Feld in den Fokus: das Employer Branding. Könnte es am Ende zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil im War for Talents werden?
Dass allein die Demografie Deutschlands für ein Ringen um genügend qualifizierte Mitarbeiter:innen führen wird, weiß man seit gut drei Jahrzehnten. 1997 nutzte die Unternehmensberatung McKinsey & Company in einer ihrer Publikationen erstmals den Begriff „War for Talents“, der seither als Schreckgespenst durch die HR-Abteilungen geistert. Und auch wenn uns das Wort Krieg in diesen Zeiten etwas schwerer über die Lippen kommt, so ist es dennoch nicht übertrieben gewählt. Was sich in den nächsten 15 Jahren auf dem Arbeitsmarkt abspielen mag, ist durchaus mit einem Kampf zu vergleichen, der viele Unternehmen massiv gefährden wird.
Was sind die Argumente, die Bewerber:innen von einem Unternehmen überzeugen? Bekannte Klassiker wie ein hohes Gehalt und ein sicherer Arbeitsplatz sind es jedenfalls auch weiterhin. Die etwa alle vier Jahre erscheinende Shell Jugendstudie, die 12- bis 25-Jährige befragt und zuletzt 2019 publiziert wurde, beschreibt diese Anforderungen bei den Millennials sowie der Generation Z als einflussreiche Entscheidungs-faktoren. Sie spiegeln vor allem den Wunsch nach Stabilität im Leben, aber auch eine pragmatische Einstellung gegenüber dem Job im Sinne von Lohnarbeit wider.
Doch zu dem Pragmatismus gesellt sich, auch das erläutert die Shell Jugendstudie, eine bisher wohl kaum dagewesene Form von Idealismus. Die Vereinbarkeit des Berufs mit persönlichen Werten, Interessen und Lebensphilosophien wird, für beide Seiten, zum Zünglein an der Waage. Vorne mit dabei: Nachhaltigkeit. Der Wunsch, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sich der langfristigen Auswirkungen seines Wirtschaftens bewusst ist und sein Handeln kritisch hinterfragt. „People not Profit“ – so fordert es beispielsweise die Klimabewegung Fridays for Future.
In der Debatte um Nachhaltigkeit und Klimaschutz nimmt die Mobilität einen großen Raum ein. Der nicht umsonst sogenannte Berufsverkehr spielt dabei eine zentrale Rolle. Hin zur Arbeit, zurück nach Hause und gelegentlich eine Geschäftsreise. Zuletzt hat uns die Corona-Pandemie und das mit ihr einhergehende Homeoffice gezeigt, wie sehr sich das Verkehrsaufkommen entspannt, wenn diese Bewegungen ausbleiben oder sich zumindest stark reduzieren. Was damals eine unausweichliche Notwendigkeit war, kann heute als bewusstes Konzept weitergeführt werden. Warum sollte eine Bürokraft, die für ihre Arbeit nicht mehr als einen Computer braucht, täglich viele Kilometer mit dem Pkw fahren? Hier können flexible Arbeitsmodelle wie das Homeoffice zu echten Klimaschützern werden.
Doch es gehört ebenso zur Wahrheit, dass der Arbeitsplatz als Treffpunkt im Digitalen nur teilweise ersetzt werden kann. Zahlreiche Umfragen bestätigen, dass sich Arbeitnehmer:innen nie das jeweils eine Extrem wünschen, sondern eine Mischung aus Präsenz und Mobile Office präferieren. Aber auch beim klassischen Bürostandort kann die Mobilität nachhaltiger betrachtet werden.
Lange galt der eigene Firmenwagen und Parkplatz als ultimatives Statussymbol, während öffentliche Verkehrsmittel als Mobilitätsform zweiter Klasse für Azubis und Sparfüchse abgetan wurden. Dabei bietet der ÖPNV nicht nur eine ökologischere Alternative, sondern auch ökonomische Chancen für beide Parteien. Wird der Firmenstandort gezielt nach einer guten ÖPNV-Erreichbarkeit ausgewählt, steigt die Motivation für bisherige Autofahrer:innen, auf Bus und Bahn umzusteigen denn sie kosten nahezu immer weniger als das Auto in Anschaffung und Unterhalt. Und wer jetzt als Arbeitgeber noch ein bezuschusstes Firmenticket bietet, wird zur echten finanziellen Alternative.
Wer dennoch das Auto präferiert oder schlecht angebunden wohnt, wird sich spätestens mit der nächsten Neuanschaffung die Frage stellen, ob man weiter auf einen Verbrenner setzt oder ein E-Auto wählt. Auch hier können Unternehmen durch die Installation von E-Ladesäulen ihren potenziellen Mitarbeiter:innen eine echte Sorge nehmen. Denn bis heute wird das spärlich ausgebaute Ladenetz von vielen als Hauptgrund genannt, kein E-Auto zu kaufen. Acht Stunden Büropräsenz sollten zum Vollladen reichen, oder?
Das Thema Ernährung nimmt heute gar religiöse Züge an und führt nicht selten zu lebhaften Diskussionen. Neben persönlichen Geschmackspräferenzen spielen Fragen der Herkunft, der Produktionsbedingungen und des Tierschutzes eine immer größere Rolle. Nun sei an dieser Stelle festgehalten, dass einerseits jeder seine Ernährung selbst gestalten darf, es aber gleichzeitig nicht die Pflicht der Unternehmen ist, diesen privaten Bedürfnissen nachzukommen. Dennoch können sie mit kleinen Gesten zum Dialog und Wohlbefinden aller beitragen und so Bewerber:innen begeistern.
Und auch gespeist wird im beruflichen Kontext regelmäßig. Ob Mensa, Grillfest oder Weihnachtsfeier: Hungrige Kolleg:innen mit unterschiedlichsten Präferenzen warten überall. Wer hier auch vegane Alternativen bietet oder auf Bio-Produkte lokaler Herkunft setzt, kann Millennials und die Generation Z von sich überzeugen – mit einem Kaffee im Bewerbungsgespräch.
10,4 % der 15- bis 29-jährigen ernähren sich vegan.
Nun fokussieren sich die Punkte Mobilität sowie Ernährung stark auf die Nachhaltigkeit im Sinne des Umweltschutzes. Doch die junge Generation sorgt sich auch um gesellschaftliche Entwicklungen. Ob Rassismus, Sexismus oder politischer Extremismus: Die Bedrohungen des friedlichen Zusammenlebens scheinen – auch durch Social Media – präsenter denn je. War es vor zehn Jahren noch ein Unding, sich als Wirtschaftsunternehmen an politischen Debatten zu beteiligen, so hat sich diese Ansicht inzwischen gewandelt –und das hängt stark mit den Anforderungen der Kund:innen, aber eben auch der Bewerber:innen zusammen.
Wie zu Beginn des Artikels bereits beschrieben, beobachtet die Shell Jugendstudie in der heute heranwachsenden Generation einen ausgeprägten Hang zum Idealismus. Die eigenen Interessen und Werte sind so stark mit der Handlungsmoral verknüpft, dass ein Arbeitgeber, der diese weder kommuniziert noch lebt, nicht infrage kommt.
Hieraus ergeben sich für Unternehmen kommunikative Chancen, jedoch ebenso große Fallstricke. Entscheidend mag die gefühlte Authentizität sein, die eine Aussage in Relation zum Geschäftsmodell einnimmt. So wird es ein Ölkonzern beispielsweise schwer haben, sich glaubhaft als Umweltschützer darzustellen. Aber am Ende, so ehrlich sollten wir unsere Branche betrachten, ist Marketing auch immer das Beleuchten des Schönen, während man das Schlechte zwar nicht böswillig versteckt, aber gerne im Schatten weilen lässt.
Von vielen Unternehmen hört man heute Sätze wie „Wir streben in unseren zentralen Geschäftsfeldern eine Klimaneutralität bis 2035 an.“ Nicht selten werden diese kritisiert. Aber sind solche Aussagen nicht vor allem eines: ehrlich? Glauben wir ihnen nicht eher als einem Versprechen, dessen Zeitplan und Umfang uns unerreichbar erscheint? In Zeiten von Social Media und einer diversen Medienlandschaft sind uns viele Informationen zugänglich. Oberflächliche, offensichtliche Marketing-Versprechen lassen sich schnell als solche enttarnen und setzen im schlimmsten Fall den nächsten Shitstorm in Gang.
31,4 % erwarten von Unternehmen in der Öffentlichkeit keine politische Haltung.
Was Unternehmen auf ihrer Website oder in ihrer HR-Broschüre machen, ist das eine. Hier greift nach wie vor das klassische Sender-Empfänger-Prinzip. In den sozialen Medien jedoch werden alle zum Teil eines großen Gespräches, in dem am Ende immer die Inhalte -überzeugen, die eine breite Masse – wie auch immer – bewegen. Und diese Posts stammen oft nicht von Weltkonzernen, sondern auch mal von der jungen Studentin, die aus dem WG-Zimmer heraus einen Nerv trifft.
Hier ist es an Unternehmen, ihre Position im kommunikativen Raum zu reflektieren. Weg vom „Hör zu, Welt.“ hin zu „Ich höre dir zu, Welt“. Ohne Frage: Diese Erkenntnis kann wehtun – gerade dann, wenn man über Jahrzehnte den Markt beherrscht hat. Doch es macht nahbar und zeugt von genau der Bescheidenheit und Demut, die das Handlungsprinzip junger Idealist:innen prägt.
Nun bleibt nach all den Facetten die Frage: Ist es wirklich so einfach, nachhaltig zu agieren? Hafermilch servieren, Busticket anbieten, ein paar Instagram-Posts machen und schon ist das Image perfekt? Natürlich nicht. Doch es sind alles kleine Beispiele, die zu dem großen Ganzen beitragen können. Denn Nachhaltigkeit ist vor allem eines: ein Handlungsprinzip. Und während uns das oberflächliche Vokabular teils schon jetzt aus dem Halse hängt, so lassen sich Taten kaum ignorieren. Das tägliche Hinterfragen der eigenen Handlungen und ihrer langfristigen Auswirkungen. Unternehmen, die diesen Grundsatz befolgen, werden wirtschaftlich mit Sicherheit erfolgreich sein. Auch dank Mitarbeiter:innen, die sich in dieser Einstellung wiederfinden.