Der Rutsch um acht Plätze: Der World Happiness Report 2024

Marke People Data & Tech Lifestyle
28.03.2024

Am 20. März wurde der World Happiness Report 2024 veröffentlicht. Zum siebten Mal in Folge erreicht Finnland den Spitzenplatz als Land mit der glücklichsten Bevölkerung der Welt. Danach folgen Dänemark, Island und Schweden. Israel ist zwar um einen Platz von vier auf fünf abgerutscht, erstaunt aber trotzdem, da die Befragung den Zeitraum zwischen 2021 und 2023 betrachtet und bis nach dem Überfall des Landes durch die Hamas reicht. Deutschland macht einen deutlichen Satz nach unten und rutscht von Platz 16 auf Platz 24. Und die Erklärung dazu findet sich auch in der Wahrnehmung der Marke Deutschland.

Das Glück wird in der Untersuchung an verschiedenen Schlüsselfaktoren festgemacht, die denen sehr ähneln, die auch für Lebensqualität stehen. Lebenserwartung: Wie lange leben die Menschen in einem Land? Soziale Unterstützung, sprich, das Ausmaß, in dem Menschen sich auf andere verlassen können, um Hilfe und Unterstützung in schwierigen Zeiten zu erhalten. Freiheit, also die Freiheit, Entscheidungen über das eigene Leben zu treffen und die Kontrolle über das eigene Schicksal zu haben. Großzügigkeit: Wie groß ist die Bereitschaft, anderen zu helfen und Ressourcen zu teilen? Korruption: Die Wahrnehmung von Korruption in Regierungen und Unternehmen, die das Vertrauen der Menschen in Institutionen beeinträchtigen kann.

Der Rutsch von Deutschland um acht Plätze erscheint angesichts dieser Kriterien schwer nachvollziehbar. Fakt ist, dass die Lebenserwartung in Deutschland minimal abgenommen hat. Fakt ist weiter, dass die restlichen Schlüsselfaktoren entweder stabil geblieben sind oder sich leicht negativ entwickelt haben: Soziale Unterstützung scheint leicht abgenommen zu haben, Korruption wird als gestiegen wahrgenommen. Das wird allerdings vom am 30. Januar 2024 von Transparency International veröffentlichten Korruptionswahrnehmungsindex nicht bestätigt. Deutschland liegt hier seit 2012 auf einem stabilen 9. Platz mit 78 Punkten. Die Kriterien Freiheit und Großzügigkeit erscheinen im Glücksreport nahezu unverändert.

Also doch die Lebenserwartung? Deutschland hinkt in dieser Kategorie schon immer hinter anderen europäischen Ländern hinterher. Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) liegt es an Krankheiten, die vom Gefäßsystem und/oder vom Herzen ausgehen, sprich: Die kardiovaskuläre Sterblichkeit. Mortalitätsforscher Pavel Grigoriev vom BiB vermutet, dass es Defizite bei der Vorbeugung gibt, was nicht fürs deutsche Gesundheitssystem spricht.

Ok, alles nicht ganz trivial, aber nicht die Erklärung dafür, dass es um acht Plätze abwärts geht. Vielleicht hilft ein Blick darauf, wie es die Nordlichter schaffen, immer wieder die glücklichsten Menschen der Welt zu sein. „Was alle skandinavischen oder nordischen Länder quasi gemeinsam haben – sie haben sehr kleine Bevölkerungen, die sehr bodenständig sind“, sagt Catarina Lachmund der Deutschen Presse-Agentur. Sie ist Senior Analystin im Institut für Glücksforschung in Dänemark. Definieren könne man das Glücklichsein also als eine Art Zufriedenheit. „Es ist nicht unbedingt glücklich im Sinne von auf und ab springen, von Freude im Moment. Es ist eher ein Gefühl der Zufriedenheit. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt“, sagt Jan-Emmanuel De Neve, einer der Autoren des Weltglücksberichts. Fakt sei, dass Menschen in den skandinavischen Ländern ihr eigenes Leben in diesen Punkten sehr hoch bewerteten und zufrieden seien.

Was sagt dagegen Stephan Grünewald vom rheingold Institut in unserem Gespräch? „Wir haben in der Studie unterschiedliche Ängste identifiziert. Die Grundangst ist der Autonomieverlust, das Gefühl, wieder ohnmächtig zu sein. Die zweite Angst ist die soziale Entzweiung. Man merkt, der Ton wird rauer, die Aggressivität im Miteinander steigt. Mit Blick auf den Standort Deutschland fürchtet man sich vor einem Substanzverlust. Die Marke Deutschland schillert und glänzt nicht mehr, sondern ist in einem Erosionsprozess. Die Infrastruktur ist marode, die Schulgebäude sind runtergewirtschaftet, bei der Digitalisierung hinken wir hinterher, die Bundeswehr scheint nicht einsatzfähig zu sein. Selbst beim Fußball, wo wir sonst immer ins Halbfinale gekommen sind, scheiden wir früh aus. Das verdichtet sich zu einem Bild, dass wir nicht mehr stolz auf unser Land sein können.“

Das klingt nicht so wirklich nach Zufriedenheit. Deutschland erlebt gerade einen Vertrauensverlust, festzumachen an den Ängsten, die die Menschen umtreiben. Wer Angst hat, ist einfach nicht zufrieden. Und damit eben auch nicht glücklich im Sinne des World Happiness Reports. Ein weiteres Indiz dafür, wie wichtig es ist, Deutschland als Marke zu erkennen und sich um die Pflege dieser Marke zu kümmern. Zum Beispiel ein Leitbild zu entwickeln, das Orientierung bietet, gemeinsame Werte definiert und so als Maßstab für die Gemeinsamkeit dient. Was übrigens nicht das Grundgesetz ist. Ob B2B-, B2C- oder Nationenmarke: Ohne ein derartiges Instrumentarium ist Zufriedenheit nicht möglich. Im Norden scheint man da entscheidend weiter zu sein. „Was Skandinavien wirklich auszeichnet, ist die soziale Unterstützung und das Vertrauen“, sagt De Neve. Dabei ginge es besonders um sozialen Zusammenhalt. „Wenn es um Freunde geht, auf die man sich verlassen kann, um den Staat, auf den man sich in Notzeiten verlassen kann – die Menschen vertrauen einander.“

Autor
Jörg Dambacher
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