Eines vorneweg: Ich bin ein Zeitungskind. Mein Vater hat Drucker gelernt und sein ganzes Arbeitsleben lang bei einer größeren regionalen Tageszeitung im Bergischen Land gearbeitet. Dort hat er sich bis in die Leitung der Rotation (dort, wo die Zeitungen gedruckt werden) hochgearbeitet. Mit allem, was dazu gehört. Von der viel zu kleinen Zwei-Zimmer-Sozialwohnung im Bergischen und einem gebrauchten Ford Taunus bis zur Eigentumswohnung im Rheinland inklusive nigelnagelneuem Mercedes. Eine diese klassischen Arbeiteraufstiegsgeschichten also, die heute so selten geworden sind. Meine Mutter hat ebenfalls bei dieser Zeitung gearbeitet – im Anzeigenverkauf. Und auch ich habe während meiner Schulzeit einige Zeit dort freitagnachts palettenweise Prospekte in eine Maschine eingelegt, die diese dann in die frisch gedruckten Zeitungen eingelegt hat. Der stupideste Job meines Lebens, aber gut bezahlt.
Biografisch und emotional bin ich eng mit Zeitungen und Zeitungsanzeigen verbunden. Ich sage das, weil ich im Folgenden leider nicht viele gute Haare an Print im Zusammenhang mit Employer Branding und Recruiting lassen kann. Auch, wenn es weh tut.
Die Regionalteile von Zeitungen sind seit Jahrzehnten unangefochten dass, was Menschen an Zeitungen noch am meisten interessiert. Zuletzt bestätigt wurde das bei einer Studie der Hochschule der Medien Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Score Media Group. Für ca. 70% sind lokale Nachrichten wichtig oder sehr wichtig. Dabei erwarten die Leserinnen und Leser vor allem lokale Nachrichten sowie emotionale Geschichten, die die Bindung zu einer Region verstärken. Und genau hier können regionale Zeitungen ihre Stärken ausspielen. Die Journalisten der Lokalteile sind in der Regel gut vernetzt und können so eben genau diese Geschichten aufspüren und aufbereiten.
Anzeigen oder gar Stellenanzeigen tauchen bei den Interessen der Befragten übrigens nicht auf. Mehr muss man dazu nicht wissen. Wenn Sie also lokale Zeitungen für Ihre Employer Branding nutzen wollen, was grundsätzlich keine schlechte Idee ist, machen Sie etwas, worüber die Zeitungen berichten. Das wird dann auch mit Interesse gelesen.
Süddeutsche Zeitung, FAZ, Welt, Zeit, taz – die Leuchttürme des deutschen Printjournalismus. Die Instanzen der vierten Gewalt. Hier werden Politikkarrieren gestartet und beendet. Hier werden die großen Skandale und die kleinen Schweinereien ans Tageslicht gezerrt. Hier werden die Themen gesetzt, die die Republik beschäftigen. Hier werden völlig besinnungslose Preise für Stellenanzeigen verlangt.
Wenn Sie mit Ihrem Recruiting-Budget mal so richtig in den Sack hauen wollen, gönnen Sie sich doch einfach eine ganze Seite im Stellenmarkt der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Die kostet nämlich sympathische 56.980 €. Die halbe Seite in derselben Ausgabe kostet übrigens nicht etwa die Hälfte, sondern 37.320 €. Warum? Weiß man nicht. Für etwas weniger, nämlich 36.080 € können Sie sogar eine ganze Seite haben, wenn Sie sie in der entsprechenden Rubrik veröffentlichen. Und für richtige Sparfüchse gibt es die 1/8 Seite, die gibt es schon für läppische 7.490 €. Die Süddeutsche steht hier übrigens nur pars pro toto – auch bei den anderen großen Zeitungen sind die Preise ähnlich und zum Teil sogar noch höher.
Dafür erscheint Ihre Anzeige dann aber auch immerhin ein einziges Mal. Zum Vergleich: Für 56.980 € können Sie Ihre Anzeige auf StepStone satte 3 Jahre laufen lassen. Sollten Sie bis dahin niemanden für die Stelle gefunden haben, stimmt wahrscheinlich eher etwas mit dem Job nicht.
Macht man sich auf die Suche nach der Rechtfertigung für diese Preise, stößt man schnell auf die Webseite www.die-zeitungen.de. Das ist eine Lobbyseite für die Zeitungen in Deutschland, herausgegeben vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e.V. Das ist der Interessensverband der deutschen Tages-, Sonntags- und Wochenpresse, an dessen Spitze übrigens niemand geringerer steht, als Springer-Chef Matthias Döpfner.
Auf der genannten Seite eben dieses Verbandes findet sich die Studie „[…] Erfolgreiche Personalsuche mit der Zeitung“ mit der für Employer Branding und Recruiting in Zeitungen geworben werden soll. Und in genau dieser Studie findet sich auf Seite 23 eine der entscheidenden Statistiken. Dort geben 79% der Befragten an, für die Stellensuche Zeitungen zu nutzen. Jobbörsen im Internet kommen in dieser Studie nur 62% und soziale Netzwerke sogar nur auf 16%. Finden Sie irgendwie seltsam? Zurecht. Die Studie ist nämlich von 2013, also fast 10 Jahre alt. Damit Sie das einordnen können: Das Top-Smartphone 2013 war das iPhone 4S mit einem 3,5 Zoll Display und einer 8 Megapixel Kamera. Und genau wie sich die Smartphones seitdem stark verändert haben, hat sich auch das Nutzungsverhalten verändert.
Die Vermutung liegt nicht allzu fern, dass der BDZV bis heute mit einer Studie von 2013 hausieren geht, weil Zeitungen seitdem gegenüber den Onlineangeboten ins Hintertreffen geraten sind. Für mich hat das das Geschmäckle, das Kunden mit veralteten Argumenten dazu verleitet werden sollen, das überteuerte Angebot der Zeitungen zu nutzen.
Ich würde Ihnen jetzt gerne sagen, dass Fachmagazine die Ausnahme von der Regel sind. Persönlich kann ich mir das sogar vorstellen. Sicherlich können Sie hier genauer Ihre Zielgruppen erreichen und es ist gut vorstellbar, das Fachmagazine aufmerksamer gelesen werden. Leider waren aber belastbare Zahlen dazu nicht zu finden. Deshalb kann ich an dieser Stelle nur sagen: Sie können es machen. Vielleicht funktioniert es, vielleicht nicht. Godspeed!
Mir blutet das Herz, aber ich kann Print für Recruiting und Employer Branding nicht wirklich empfehlen. Nicht, weil es nichts bringen wird. Sondern weil andere Maßnahmen mehr bringen werden und dabei weniger kosten. Sparen Sie sich das Geld und abonnieren Sie einfach eine Zeitung stattdessen.