Am Anfang war nicht das Feuer – am Anfang war Kommunikation

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12.09.2018

Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution zum Herrscher über die Welt gewandelt. Ein Schlüsselfaktor, der uns diesen Siegeszug ermöglicht hat, war unsere herausragende Fähigkeit zur Kommunikation. Vieles in der Kommunikation hat sich geändert, seit sich vor 2.000.000 Jahren die ersten Hominiden entwickelten, aber eine Regel gilt nach wie vor: Wer erfolgreich sein will, muss gut kommunizieren. 

In seinem viel beachteten Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ erklärt der Universalhistoriker Yuval Noah Harari, wie es zum großen Verdrängungskreuzzug des Homo sapiens kam, in dessen Verlauf wir vor ungefähr 70.000 Jahren alle anderen Menschenarten auf dem Planeten ausgerottet oder uns zumindest einverleibt und genetisch dominiert haben. Ein entscheidender Faktor für unsere Überlegenheit – das ist vielen von uns bereits wohl bekannt – war die Tatsache, dass wir uns langsam vom Vierbeiner zum Zweibeiner entwickelt haben und anfingen, aufrecht zu gehen. Damit hatten wir plötzlich entscheidende Vorteile: Wir konnten die Savanne besser überblicken und sahen vor allen anderen, wenn Gefahr oder etwas Leckeres zum Essen im Anmarsch war.

Unsere Überlegenheit hat einen Namen: Kommunikation

So richtig los mit dem Wandel auf der Erde ging es dann, weil der Homo sapiens am besten von allen Affen kommunizierte. Der Knackpunkt war unsere einzigartige Sprachkompetenz. Sie machte eine fiktive Sprache möglich, mit deren Hilfe Religionen, Mythen und schließlich größere soziale Gebilde entstanden, die weit über Stammesgröße hinauswuchsen. Harari schreibt sinngemäß, Affen konnten einander zurufen: „Vorsicht, Löwe!“ oder „Vorsicht, Adler!“ Aber nur der Mensch konnte sagen: „Der Löwe soll der Schutzgeist unseres Stammes werden.“ Oder auch: „Die Familie da hinten im Tal, die sind okay, denen kannst du vertrauen.“ Eine wichtige Voraussetzung für das Entscheidende – die Kooperation. Und das hat alles verändert. Ameisen kooperieren zwar auch, aber sie spulen nur Programme ab und kooperieren nur mit denen, die sie persönlich kennen. Menschen konnten irgendwann Informationen darüber austauschen, mit wem man verlässlich kooperieren kann. Und sie konnten sich als einzige Spezies Dinge gemeinsam ausmalen und vorstellen. Der Homo sapiens wurde also zuerst Kommunikationsführer und dann Weltmarktführer, wie wir heute sagen würden. Das hat den Wandel erheblich beschleunigt. Ohne unsere besondere Sprache würden wir heute noch in kleinen Horden herumziehen und an von Löwen übrig gelassenen Knochen nagen. In der weiteren Entwicklung der Menschheit wurde es dann richtig spannend, wenn man sich anschaut, was Kommunikation alles bewirken konnte. Man konnte sich über Geld verständigen, Unternehmen gründen, sie als juristische Personen betrachten und Aktien ausgeben. Warum? Weil Sprache den Menschen erklären konnte, was der Unterschied zwischen einem Unternehmer und einem Unternehmen ist. Wären wir nicht mehr in der Lage, über Dinge zu sprechen, die es physisch gar nicht gibt, dann würden Unternehmen wie zum Beispiel Daimler sofort verschwinden, ebenso Aktien, Religionen, Staaten und Kreditkarten.

Kommunikation wird professionell

Menschliches Zusammenarbeiten in großem Maßstab basiert also auf den oben genannten Mythen (Aktien, Religion, juristische Personen, Marken …). Wer einen Wandel in der Form der Zusammenarbeit erwirken will, muss die Mythen verändern und neue Geschichten erzählen. Harari erklärt, wie die Menschen in der Folge der kognitiven Revolution langsam neue Bedürfnisse herausbildeten – die kulturelle Evolution begann. Man verständigte sich darauf, dass Herrscher nicht mehr von Göttern eingesetzt werden, sondern dass das Volk herrschen solle – ein neuer Mythos sozusagen. Man konnte also Verhaltensweisen plötzlich schneller ändern und konnte sie an die nächste Generation weitergeben – alles natürlich nur wegen der überlegenen Kommunikation. Die Menschen mussten jetzt nicht mehr Millionen von Jahren darauf warten, dass eine Genmutation für Wandel sorgte. Die Geschichte erklärte sozusagen ihre Unabhängigkeit von der Biologie. Irgendwann viel später erwuchsen daraus Dinge wie die Französische Revolution. Mit Kommunikation kann man plötzlich Forderungen stellen, Mythen wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Worte fassen. Der Soziologe Jürgen Habermas beschrieb ganz genau, wie durch Kommunikation allmählich aus der literarischen (Erzählungen) eine politische Öffentlichkeit (Meinungen) hervorging – Keimzellen waren die Städte und ihre Cafés. Im Zuge dieses Wandels entwickelte sich dann das, was wir heute die Medienlandschaft nennen. Dazu gehören neben Zeitungen auch wir, die Werbe- oder, wie man heute sagt, Kommunikationsagenturen.

Wer gewinnen will, muss richtig kommunizieren

Die modernen Kommunikationsmedien machten es möglich, über reine Mund-zu-Mund-Propaganda hinaus Wissen zu verbreiten. Wer dabei sein Thema wirkungsvoll platzieren, wer in der Masse der anderen Meinungen auffallen will, der muss richtig kommunizieren. Das „Agenda- Setting“, wie es die Politikwissenschaft nennt, gilt auch für die Welt des Marketings. Wer zuerst kommt, dem folgen erst einmal alle. Damit man also nicht überrollt wird und als Partei oder Unternehmen auf der Siegerstraße bleibt, sollte man sich gut überlegen, wann und wie man seine Stärken kommuniziert. Kommunikation kann zu Wandel anregen – sie beeinflusst Meinungen über ein Land, eine Partei, ein Unternehmen. Politiker haben erst gehandelt, nachdem sie oft genug gehört hatten, dass Deutschland bei wichtigen Themen abgehängt wird: bei der Bildung, bei wichtigen Schlüsseltechnologien, bei der Plattformökonomie, beim autonomen Fahren. Politiker initiieren Wandel, indem sie ihre Agenda als Erste aufs Tablett bringen – nicht immer mit sachlichem Duktus. Der angebliche riesige Exportüberschuss der EU gegenüber den USA zum Beispiel schmilzt extrem, wenn man die großen amerikanischen Internet-Dienstleister mit einrechnet – die Debatte läuft halt trotzdem auf Hochtouren. Auch Unternehmen können sich auf gleiche Weise zum Gesprächsthema Nummer eins machen und Veränderung schüren, indem sie sich eine Vorreiterrolle geben und ihre Themen entsprechend forcieren. Anders lässt sich nicht erklären, dass
Unternehmen wie Tesla es geschafft haben, die ganze Welt dazu anzuregen, nur noch auf Elektroautos zu setzen. Wenngleich das Unternehmen mittlerweile im Rennen gar keine so gute Figur mehr abgibt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nicht warten, bis andere kommunizieren

Wer erfolgreich sein will, muss also gut kommunizieren. Und zwar anders, als es lange üblich war. Es gibt viele tolle Unternehmen, in deren Kern ein starkes Feuer brennt. Um es aber hinaus in die Welt zu tragen, bedarf es der richtigen kommunikativenn Strategie. Unternehmen, die sich weiterhin in der Rolle des „Hidden Champion“ gefallen, dessen Produktqualität für sich selbst spricht, haben gegen den Pegel des immer lauter werdenden kommunikativen Grundrauschens heute keine Chance mehr. Sie müssen ihre Strategie verändern, aktiv über ihre Stärken reden und Allianzen zur Kooperation suchen – mit Kommunikationsprofis genauso wie mit neuen Geschäftspartnern. Um nicht wie die evolutionär auf der Strecke gebliebenen Neandertaler zu enden, müssen sich Unternehmen heute mehr denn je überlegen, welchen Mythos sie gerne über sich transportieren möchten. Und sich kritisch hinterfragen, ob sie überhaupt schon so etwas wie eine Geschichte haben. Denn nur wer eine gute Geschichte hat, wird gehört werden und langfristig auch erfolgreich sein. Und dabei geht es nicht darum, ob der nächste Produktfilm auf Youtube jetzt fünf oder zehn Sekunden lang wird, ob der jetzt „viral gehen“ muss oder nicht oder ob das Grün im Logo auch ganz sicher auf allen Medien gleich gut rauskommt. Das können am Ende auch spannende Fragen sein, aber eben nicht am Anfang. Design, Formate und Kanäle gehören zwar zur Kommunikation – aber sie sind nicht die Geschichte, die ein Unternehmen einzigartig macht, eine Gruppe eint und zum gemeinsamen Erfolg über die anderen führt. Am Anfang muss es also – wie damals in den Höhlen – um die Identität gehen. Ob man das Fundament für seine Markengeschichte anhand weit verbreiteter Begriffe wie „Vision“ und „Mission“ legt oder mit den Sinekschen Begriffen „Why“, „How“, „What“ operiert – es geht zunächst nicht ums Produkt, sondern um die großen, grundsätzlichen Fragen: Wo wollen wir als Unternehmen hin, was wollen wir dabei beachten und wie wollen wir das erreichen? Und anhand welcher Regeln organisieren wir unsere Zusammenarbeit? Unternehmen brauchen diese Geschichten – und je besser sie sie kommunizieren, umso erfolgreicher werden sie sich in der Unternehmenslandschaft durchsetzen. Denn wie uns die Evolution ziemlich eindrucksvoll gelehrt hat – es gibt kein stärkeres Werkzeug als menschliche Kommunikation.

Autor
Markus Koch

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