Prof. Dr. Marco Schmäh zur Werbewirkung

Marke People Data & Tech Lifestyle
26.04.2018

Bei B2C-Werbung gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, die Effektivität zu messen. Einige der Messmethoden – besonders online – sind umstritten, andere anerkannt. Im B2B-Bereich wird die Werbewirkung kaum gemessen. Wir haben den Vertriebsexperten Prof. Dr. Marco Schmäh gefragt, woran das liegt.

Prof. Dr. Marco Schmäh

Prof. Dr. Marco Schmäh ist Unternehmensberater und Vertriebsexperte. Der studierte Wirtschaftsingenieur promovierte 1998 an der Freien Universität in Berlin zum Thema „Dienstleistungen im B2B-Marketing“. Seit 2001 ist er Professor für Marketing und Vertriebsmanagement an der ESB Business School in Reutlingen. Außerdem ist er ein gefragter Redner zu den Themen Value-based Selling und Vertriebsmanagement. Mehr dazu: www.valuebasedselling.de

Dem Ober im Restaurant sagt ja auch nicht jeder ins Gesicht, wenn es nicht schmeckt.

Herr Professor Schmäh, in einer Studie kamen Sie zu dem Ergebnis, dass Werbung im Mittelstand oft Stückwerk sei. Woran mangelt es?

JB

Bei der Studie ging es um Werbung und Marketing. Wir hatten gefragt: Wer kümmert sich im Unternehmen ums Marketing? Es stellte sich heraus, dass es entweder der Chef nebenbei mitmacht oder der Werkstudent, der dann alle zwei Wochen mal kommt. Das war vor rund zehn Jahren noch sehr unprofessionell. Befragt wurde die produzierende Industrie, der Maschinenbau. Da giltMarketing oft als Cost-Center. Man glaubte, Marketing produziert nur Kosten und bringt nichts.

MS

Dass man Werbewirkung messen kann, war nicht bekannt?

JB

Die Geschäftsführer sind überwiegend Ingenieure, meist schon älter, die haben damit nichts am Hut. Da heißt es: Produkt. Produkt. Produkt. Wie entwickle ich es weiter. Bei Marktforschung sagen sie: Marktforschung? Wir probieren das einfach aus. Dann sehen wir, ob’s funktioniert, und nicht mit Fragebögen. Es wird kein Geld investiert. Ein Geschäftsführer hat mir mal gesagt: Die Marktforschung mache ich selber, da hole ich meinen Fragebogen raus. Aber wie man Ingenieur gelernt haben muss, so muss man Marktforschung eben auch lernen. Das Problem an der Geschichte ist: Zehn Fragen stellen kann jeder. Aber schaut man sich die zehn Fragen an, dann ist die Skalierung falsch, da sind zu viele Aspekte in der Frage. Auf gut Deutsch: Das bringt gar nichts.
Aber die Unternehmen haben das Gefühl, sie haben’s gemacht und das Geld haben sie gespart. Sie lassen auch den Vertrieb oft befragen, wogegen ja nichts spricht. Aber dem Ober im Restaurant sagt ja auch nicht jeder ins Gesicht, wenn es nicht schmeckt. Da packt halt auch nicht jeder die Punkte aus, insbesondere nicht, wenn man zusammenarbeitet.

MS

Sie sind Value-based-Selling-Experte. Dabei geht es darum, Produkte nicht über den Preis zu verkaufen, sondern den Kundenvorteil zu kommunizieren. Klingt wie eine Regel für gute B2B-Kommunikation.

JB

Genau. Das ist meiner Meinung nach unendlich wichtig, dass Profis dies den Unternehmen beibringen.

MS

Aber müsste man mit diesem Argument nicht bei den Ingenieuren offene Türen einrennen?

JB

Ich glaube auch, dass bei den Unternehmen ein Umdenken ein­gesetzt hat. Inzwischen geht es um die Customer Experience, was ja auch so neu nicht ist. Man muss den Kunden begeistern. Das geht nur, wenn ich ihm biete, was für ihn wichtig ist.

MS

Also muss effektive B2B-Werbung den Kundenvorteil in den Vordergrund stellen?

JB

Auf jeden Fall. Es gibt ja immer die Diskussion, ob es nur um den Return on Investment gehen soll oder auch um Emotion. Emo­tion ist wichtig, aber die B2B-Unternehmen sind sicher etwas nüchterner. Wichtig ist, dass man Profis hat, die einem dabei helfen, den Kundenvorteil zu formulieren. Das ist ja eine eigene Kunst. Es wird immer spezifischer, immer spezieller. Der Kunde möchte die Werte, will seinen Vorteil für sich vorgerechnet bekommen. Der möchte nicht hören: Na ja, im Schnitt haben wir 2 % Kosten­einsparungen. Der Kunde will genau wissen, wie es für sein Unternehmen aussieht. Er will ganz konkret die Auswirkungen für seine Firma erfahren. Umso wichtiger ist dann ein Profi, der es richtig transportiert und kommuniziert.

MS

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Agentur benötigt nicht nur Kommunikationsprofis, sondern auch Branchenexperten?

JB

Das ist sicher förderlich. Schöne Bilder alleine genügen da nicht. Man muss sich in die Kunden reindenken können.

MS

Wäre eine Zusammenarbeit der Verkäufer auf Unternehmensseite mit den Agenturen nicht zielführend, um schon ganz konkrete Angebote zu formulieren?

JB

Das wäre natürlich der Idealfall, wenn man so kundenorientiert weiterdenkt. Es geht heutzutage nicht anders, als mit Profis zusammenzuarbeiten. Wer hat schon die Kompetenz, es richtig zu formulieren? Vertrieb und Kommunikationsagentur wären eine intelligente Kombination.

MS

Wie können wir in Zukunft die Effektivität bei B2B-Werbung überprüfen? Es werden ja sicher keine Imagewerte abgefragt, oder? Muss man da neue Faktoren definieren, die für die Unternehmen wichtig sind?

JB

Das ist exakt der Punkt. Da muss man neue Wege finden. Ein Rezept gibt es da bisher noch nicht.

MS

Ist Werbung für B2B-Unternehmen überhaupt sinnvoll? Oder investiere ich das Geld lieber in die Ausbildung der Verkäufer und in den Vertrieb?

JB

Gute Frage. Man stellt halt immer wieder fest, dass Verkäufer den Wert nicht ordentlich rüberbringen können. Sie brauchen auf der einen Seite auch Unterstützung, sei es vom Marketing oder von Externen, um ihnen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, das besser zu transportieren. Das ist Fakt. Viele können ihr Produkt perfekt erklären, aber wenn es darum geht, den Mehrwert zu erklären – und warum es 20 % teurer ist –, da müssen sie dann passen.
Insofern: In die Ausbildung der Verkäufer kann man immer investieren. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Inves­tition in Kommunikation und Werbung auch einen Effekt hat. Zum einen Aufmerksamkeit. Und zum anderen eine Möglichkeit, darüber mit dem Kunden auch zu reden, einen Anknüpfungspunkt zu haben.

MS

Werbung ist also eine Unterstützung für den Verkäufer?

JB

Genau. Ein Beispiel: Kuka hat einen Roboter mal in einem James-Bond-Film positioniert. Das war teuer, hat Geld gekostet. Aber es hat sich ausgezahlt, denn dadurch wurde der B2B-Roboter auf einmal trendy. Und dem Vertrieb hat es auch in den Preis­verhandlungen geholfen. Weil die Marke stärker und bekannter wurde, konnte man höhere Preise durchsetzen.

MS

Was machen denn Unternehmen, die nicht Marktführer sind? Können die mit Werbung ihren Nachteil wettmachen? Nützt es ihnen, wenn sie lauter sind als der Wettbewerb?

JB

Das kann ich mir definitiv vorstellen. Einkäufer recherchieren ja auch vorher online. Sie informieren sich im Netz. Mit professioneller Kommunikation online erscheint man professionell. Wenn der Online-Auftritt nicht professionell ist, ist man zweite Liga. Mit einem Shop von vorgestern denken die potenziellen Kunden: Das sind keine Profis. Die Visitenkarte in jeglicher Richtung muss Erste- Liga-tauglich sein. Wenn sie das nicht ist, kostet das Marktanteile.

MS

Herr Professor Schmäh, wir bedanken uns für das aufschlussreiche Gespräch.

Autor
JÖRG BREDENDIECK

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