„Keiner möchte mehr Verantwortung übernehmen.“
Was Fotograf Kai-Uwe Gundlach auffällt
Daten und Insights sind längst keine leblosen Zahlen mehr, mit denen sich hauptsächlich Strategen und Planner auf theoretischer Ebene befassen. Immer öfter bilden sie die Basis oder sogar Rechtfertigung für kreative Ideen, Konzepte und Entscheidungen, was den Kreationsprozess zunehmend verändert. Doch führen Insights tatsächlich immer zu kreativerer und effektiverer Kommunikation? Kai-Uwe Gundlach, der als Fotograf regelmäßig mit Marken und Agenturen zusammenarbeitet, beobachtet vor allem eines: Einheitlichkeit. Woran das liegen könnte und welche Einflüsse Insights auf seine Arbeit haben, erzählte er uns im Interview.
Kai-Uwe Gundlach
geboren 1966 in Oldenburg, ist seit 1994 als freier Fotograf tätig. Heute lebt und arbeitet er in Hamburg. Neben diversen Assistenzen und Auftragsarbeiten sowie der Tätigkeit in namhaften Agenturen gründete er ein eigenes Labor für Schwarz-Weiß-Fotografie. Gundlachs Arbeiten werden seit über 20 Jahren international ausgestellt und ausgezeichnet, u. a. beim New York Photo Festival. Er ist Mitglied im ADC und in der AOP (Association of Photography, London) und Mitglied im BFF (Berufsverband Freie Fotografen).
Herr Gundlach, Insights sind bisher meist das Feld von Strategen. Welche Rolle spielen sie in Ihrer Arbeit als Fotograf?
Direkt bekomme ich von den Insights nichts zu spüren. Ich denke, dass die Briefings bereits die Insights enthalten und somit schon dort Einfluss genommen haben.
Fühlen Sie sich manchmal durch Insight-basierte Vorgaben in Ihrem kreativen Schaffen beeinträchtigt?
Nicht direkt, wenngleich man bei Auftragsarbeiten immer eine Beeinträchtigung hat. Eine gewisse Stimmung, ein Grundgedanke muss getroffen werden. Meist gibt es Layoutvorgaben oder ein Moodboard, das als Orientierungshilfe dient. Aber wenn ein Insight besagt, dass alle Autos dieses Jahr schwarz sein sollen, ich jedoch lieber bunte knipsen möchte, dann ist das eine Beeinträchtigung meines kreativen Schaffens.
Hinter datenbasiertem Arbeiten steckt oft das Bedürfnis nach Berechenbarkeit und damit Sicherheit. Haben Auftraggeber den Mut verloren?
Große und gute Kreation, die auffällt, wird man so bestimmt nicht generieren. Stattdessen wird alles glatt und einheitlich. Jedes Werbebild sieht doch mittlerweile gleich aus. Keiner möchte mehr Verantwortung übernehmen, falls eine Kampagne floppen sollte. Lieber unauffällig bleiben, bloß nichts falsch machen. Es fehlt der Mut, etwas anders zu machen. Werbung ist immer ein Kompromiss aus vielen Befindlichkeiten. Oft wird selbst das beste Bild spätestens in der Post kaputtdiskutiert, weil alle mitreden wollen … und dürfen. Zum Glück gibt es aber auch Kunden und Agenturen, die sich was trauen und mich einfach mal machen lassen.
Bewegtbildformate entwickeln sich zunehmend vom Trend zum beliebtesten Medium. Was bedeutet dieser Insight für Fotografen?
Wir Fotografen generieren mittlerweile eine Unmenge an Bildmaterial. Egal, ob große Keyvisuals mit hunderten von Megapixeln, Lifestylebilder für Social Media oder auch Boomerangs, Snippets, Assets, Cinemagraphs und so weiter. Die Ansprüche, das Aufgabengebiet und der Output haben sich vervielfacht. Die Honorare leider meistens nicht. Man muss diese Sachen aber anbieten können.
Als Künstler ist das eigene Bauchgefühl der wohl größte Insight. Wie ist es, auch mal nicht gefallen zu müssen?
Wer einen guten Fotografen bucht, kauft immer auch eine bestimmte kreative Beratung mit ein. Wer diese nicht wünscht oder ignoriert, hat den Falschen beauftragt.
Eine selbstkritische Frage zum Schluss: Welchen Insight über Fotografen sollten sich Agenturen in der Zusammenarbeit mehr zu Herzen nehmen?
Immer den Fotografen beauftragen, der am besten für das Konzept geeignet ist. Das sollte stets eine Kreativ-Entscheidung sein. Nie den Günstigsten nehmen!
Herr Gundlach, wir danken Ihnen für dieses Interview.
