Kein Sportswashing UND eine gute Idee.
Rheinmetall und der BVB.

Marke People Data & Tech Lifestyle
12.06.2024

Bei B2B leben wir eine Kultur der Meinungsvielfalt. Das ist übrigens keine Chiffre dafür, dass wir uns permanent streiten. Ganz im Gegenteil, in vielen Fällen sehen und bewerten wir Dinge gleich oder ähnlich. Aber eben nicht immer. Wenn das passiert, dann lassen wir die anderen Meinungen zu. Natürlich sprechen wir darüber. Natürlich tauschen wir Argumente aus. Natürlich ändert das meist nichts. Und doch hilft es uns, uns besser zu verstehen und insgesamt einen breiteren Blickwinkel zu bekommen. Genau deshalb, gibt es diesen Text. Er ist eine Replik auf einen Artikel, der vor Kurzem bei uns erschienen ist. Wer ihn noch nicht kennt, sollte ihn am besten zuerst lesen. Darin wird fundiert hergeleitet, warum der Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall aus Markenperspektive nicht passt und deshalb eine falsche Entscheidung ist. Die Argumente darin sind gut und schlüssig, aber sie lassen einige Aspekte aus. Aspekte, die jedoch dringend betrachtet werden müssen, weil sie zu einem ganz anderen Ergebnis führen: Der Deal ist gut. Vor allem für Rheinmetall. Aber auch für uns alle.

 

Darum ist der Deal gut für Rheinmetall

Der Artikel kommt zu dem Schluss an, dass der Deal unter mehreren markenrelevanten Gesichtspunkten nicht richtig ist. Als erstes bezweifelt er, dass das Ziel, Rheinmetall „als führendes Systemhaus für Verteidigung und Treiber industrieller Innovationen in zivilen Märkten“ noch bekannter zu machen überhaupt nötig ist, da sich die Zielgruppe von Rheinmetall auf eine Handvoll Entscheidungsträger in Regierungen auf der ganzen Welt beschränkt. Kann man so sehen. Wenn man nur daran denkt, dass das Sponsoring dabei helfen soll, Artilleriemunition und Panzer zu verkaufen, stimmt das Argument.


Aber das sagt Papperger gar nicht. Es geht darum, „als führendes Systemhaus“ und „Treiber industrieller Innovationen“ bekannter zu werden. Als Hightech-Unternehmen also. Damit kommt noch eine andere Zielgruppe ins Spiel: potenzielle zukünftige Arbeitnehmer. Und dadurch wird der Deal gerade sehr sinnvoll für Rheinmetall.


Waffensysteme waren schon immer Treiber technologischer Fortschritte und werden in der Zukunft in noch stärkerem Maße zu den innovativsten Produkten der Welt gehören. Das kann man doof finden. Aber man kann es nicht ignorieren. Wer als Hersteller hier mithalten will, braucht von allem die Besten: Ingenieure, Systementwickler, IT-Experten und, und, und.


Mit dem demografischen Wandel vor der Tür und dem jetzt schon spürbaren Fachkräftemangel ist es Rheinmetall enorm wichtig, als modernes Unternehmen mit Hightech-Aufgaben bekannt zu sein. Sich verschämt in die Schmuddelecke zu trollen, wo nicht wenige Rheinmetall und andere Rüstungshersteller gerne sehen wollen, wäre für das Unternehmen enorm schädlich. Der selbstbewusste Schritt in die in Deutschland größtmögliche Öffentlichkeit Fußball ist daher genau richtig.


Den BVB als Partner dafür zu wählen, ist aus strategischer Sicht eine gute Wahl. Borussia Dortmund gehört zu den Vereinen mit deutschlandweiter, sogar europaweiter Strahlkraft. Spiele des BVB werden oft live übertragen, praktisch über jedes Spiel wird im TV berichtet. Die Marke bekommt dadurch eine Menge Airtime, sie wird sichtbar. Das Erlebnis im Stadion ist mitreißend, ein Besuch eines BVB-Heimspiels wird für immer eine positive Erinnerung sein und sogar das Verfolgen der Spiele am Fernseher ist besonders. Das wird sich auch mittelfristig auf die emotionale Kategorisierung der Marke Rheinmetall auswirken.           
 

Darum ist der Deal gut für uns alle

Der BVB-Rheinmetall-Deal kann noch auf einer ganz anderen Ebene wertvoll sein. Er kann uns etwas über uns als Land lehren. Über alte Denkmuster. Über neue Realitäten. Und dass das Eine und das Andere gleichzeitig existieren können.


Fangen wir mit den Denkmustern an. Im Hinblick auf Rüstung neigt dieses Land seit Jahrzehnten zu Übergeneralisierung. In der Psychologie bezeichnet man damit die Neigung zu voreiligen Schlussfolgerungen auf Basis von wenigen früheren Erfahrungen bzw. ohne ausreichend Erfahrung. Oft ist Übergeneralisierung zudem mit erhöhter Ängstlichkeit verbunden, was zu Vermeidungsverhalten führen kann.


Bei der Übergeneralisierung wird also eine Schlussfolgerungskette in Gang gesetzt, die oft zu nichts Gutem führt. Bei Rheinmetall vermute ich ungefähr diese: Rheinmetall -> Waffen -> Militär -> Faschismus -> dritter Weltkrieg. 


Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, hat sich Deutschland endgültig eine Abkehr vom Militarismus verordnet. Nach den Grausamkeiten des Naziregimes, der Wehrmacht und der SS war die Losung „Nie wieder Faschismus. Nie wieder Krieg.“ nicht nur das einzig Richtige, sie war Pflicht. 


Aber: Die Bundesrepublik ist nicht Nazideutschland, die Bundeswehr nicht die Wehrmacht und 2024 ist nicht 1939. Und damit ist auch Rheinmetall nicht der Türöffner für neuen Faschismus und wird sicher nicht die Ursache für einen neuen Weltkrieg sein. 


Es ist sogar das Gegenteil. Und damit sind wir direkt bei den neuen Realitäten. Rheinmetall ist kein normales Unternehmen. Der größte Teil seines Geschäfts kann nur mit parlamentarischer Genehmigung zustande kommen. Es ist ein demokratisch kontrolliertes Geschäft. Es fußt also auf dem Grundgesetz, dessen 75. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Zurecht. Das Grundgesetz ist vielleicht die größte gesetzgeberische Leistung der letzten 100 Jahre. Es ist frei, gerecht, weise, friedlich, robust. Akzeptieren wir es: Wir sind die Guten. Und nichts spricht dagegen, dass die Guten auch stark sein dürfen. Nur dann können sie die Schwächeren und die Bedrängten schützen. Wir dürfen das Starksein nicht den Arschlöchern überlassen. 


Dafür braucht es aber ein passendes gesellschaftliches Klima, für das auch feinfühlige Ultras ihre Antennen mal neu justieren sollten. Wenn das Geschäft eines Unternehmens nicht anrüchig, sondern notwendig ist, dann ist Sponsoring auch nicht Sportswashing, sondern einfach nur Sponsoring. Auch, wenn es dir nicht gefällt. 


Im besten Fall wird uns der Sponsoring-Deal verstehen lassen, dass wir gleichzeitig ein friedfertiges Land und ein wehrhaftes Land mit einer starken Rüstungsindustrie sein können. Wir sind es nämlich schon seit vielen Jahrzehnten. 
 

Autor
Kai Helzer
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