Sportswashing oder gute Idee?
Rheinmetall und der BVB.

Marke People Data & Tech Lifestyle
07.06.2024

Seit 29. Mai 2024 ist bekannt, dass Rheinmetall Champion Partner des BVB wird. Seitdem vergeht kaum ein Tag mit neuen Statements dazu. Zwischen himmelschreiender Empörung und sachlich fundierter Einordnung findet sich die gesamte Palette an Einschätzungen in der Presse, sozialen Netzwerken und sonstigen öffentlichen Foren. Wir werden jetzt dasselbe tun: Also einordnen. Und dabei den Fokus vor allem auf die Marken legen, die hier zueinander gefunden haben.

Das sagen die handelnden Personen in ihren offiziellen Pressemitteilungen

Armin Papperger, Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG: „Mit dem BVB und Rheinmetall haben sich zwei Partner gefunden, die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen. Der BVB ist ein Verein aus dem Herzen von Nordrhein-Westfalen und steht wie kaum ein anderer für das Streben nach Spitzenleistung und internationalem Erfolg. Rheinmetall ist in der Metropolregion Rhein-Ruhr tief verwurzelt und möchte seine Marke als führendes Systemhaus der Verteidigungsindustrie und als Treiber industrieller Innovationen in zivilen Märkten auch international noch bekannter machen.“

Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Borussia Dortmund: „Sicherheit und Verteidigung sind elementare Eckpfeiler unserer Demokratie. Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen. Gerade heute, da wir jeden Tag erleben, wie Freiheit in Europa verteidigt werden muss. Mit dieser neuen Normalität sollten wir uns auseinandersetzen. Wir freuen uns auf die Partnerschaft mit Rheinmetall und öffnen uns als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs.“ Zumindest Hans-Joachim Watzke scheint sich zum Veröffentlichungszeitpunkt vollkommen klar darüber zu sein, dass diese Entscheidung nicht nur Befürworter haben wird.

Das sagt die Öffentlichkeit

Robert Habeck, der Bundeswirtschaftsminister, reiht sich nicht in die scharfe Kritik am Rheinmetall-Deal ein. Lapidar kommentiert Habeck: „Dass Rheinmetall jetzt einen Fußballverein sponsert, ist in der Tat erst einmal ungewöhnlich, aber es zeigt, wo wir stehen. Wir wissen und müssen es leider zugeben, dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt sind.“

Das für Sport zuständige Bundes-Innenministerium wollte den Rheinmetall-BVB-Deal nicht kommentieren, da man sich grundsätzlich nicht zu Sponsoringvereinbarungen von Sportclubs äußere, sagte ein Ministeriumssprecher.

Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) begrüßte den Deal. „Das Sponsoring ist ein Weg, um einer breiten Schicht der Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, dass Waffen für die Erhaltung unserer Sicherheit und unseres Friedens nichts ‚Unappetitliches‛ sind, sondern eben ganz normal zu unserer gesellschaftlichen Realität gehören, wenn wir in Frieden und Freiheit leben wollen“, sagte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. Nach Angaben des Verbands sponsert damit erstmals ein Rüstungskonzern einen Fußballclub.

Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft ordnet den umstrittenen Deal wie folgt ein: „Ja, das ist natürlich schon sehr neu für Deutschland. Wir sehen einen Paradigmenwechsel seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine. Verteidigung und Sicherheit haben einen viel höheren Stellenwert. Nur so ist es überhaupt denkbar, dass ein Fahrzeug- und Rüstungskonzern nun als Sponsor eines wichtigen Fußballklubs auftritt.“

Für Michael Heumann, Wirtschaftsethiker und Mitglied des Ethik-Analystenteams bei der Schweizer Investmentfirma Arete Ethik Invest, ist es eine ethische Frage: „Nur weil sie eine Geschäftsbeziehung mit einem Waffenhersteller haben, heißt das nicht, dass sie moralisch verwerflich handeln“, sagt er. „Trotzdem halte ich den Deal für äußerst fragwürdig. So einen Partner zu haben, muss man ethisch begründen und das habe ich bisher nicht gesehen.“ Vielmehr seien Fans und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Im Leitartikel „Kriegsgewinnler“ kritisiert der Autor Stefan Kuzmany die Vorgehensweise des BVB. Er findet es irritierend und problematisch und konstatiert: „Ginge es Watzke vor allem darum, Freiheit und Demokratie zu fördern, hätte er bereits reichlich Gelegenheit dazu gehabt.“ Das ist ein interessanter Gedanke, wenn man zusätzlich bedenkt, dass der BVB zu seinen Werten auch Gewaltlosigkeit zählt. Hätte man hier nicht einen besseren Weg finden können, um seinem Ansinnen Ausdruck zu verleihen?

Stefan Kuzmany findet auch schärfere Worte, wenn er sagt: „Aber Profitstreben als Akt gesellschaftlichen Engagements zu bemänteln ist unredlich.“

Damit prangert er also auch das Sportswashing an und bewertet den Deal des BVB mit dem Rüstungs-Giganten kritisch.

Stimmen der Fans

Unter dem Instagram-Post von Rheinmetall, der die Partnerschaft mit dem BVB verkündet, geben BVB-Fans ihre Eindrücke wieder.

Ein User meint:

Schäm dich BVB! Schon wieder die eigenen Werte verkauft.

Ein anderer User kommentiert:

Guter Deal! Immerhin 1889 in Dortmund gegründet. Steht zur Tradition im Revier - ohne Ironie…

Wofür steht der Verein? Wofür steht das Unternehmen?

Borussia Dortmund beschreibt sich selbst als für Intensität, Echtheit, Bindungskraft und Ambition stehend. Alles soll von einer intensiven Wirkung gekennzeichnet sein. Das Stadion gilt als das Epizentrum, in dem sich die geballte Energie, die dem BVB innewohnt, entlädt. In den Herzen der Fans hat der BVB einen festen Platz. Deren bedingungslose Treue wird als entscheidendes Element beschrieben, das den Verein seit über 100 Jahren durch gute und schlechte Zeiten trägt. Der Verein ist geprägt vom unbedingten Willen, diesen Fans etwas zurückzugeben. Durch sportliche Erfolge und durch das Versprechen, dass man so bleiben wird, wie man immer war: geradlinig, offen, kämpferisch und fest im Dortmunder Boden verwurzelt.

Borussia Dortmund will ein unvergleichlich intensives Fußballerlebnis bieten. Aufgeladen mit maximaler Energie und tiefen Emotionen: besonders innig, besonders viel, besonders stark. Die Vereinsfarben Schwarzgelb sollen der sichtbare Ausdruck dieser Intensität sein. Borussia Dortmund behauptet, von seinen Fans echte Liebe zu empfangen. Denn der BVB ist, wie sie, tief in der Kultur seiner Heimatstadt Dortmund und der westfälischen Region verwurzelt: geradlinig, ungeschminkt, kämpferisch. Eine stolze Brust, aber auch Narben und Sorgenfalten sind sichtbarer Ausdruck seiner Echtheit. Sie macht den BVB liebenswert und sorgt dafür, dass er von seinen Anhängern durch dick und dünn getragen wird.

Borussia Dortmund will für viele Menschen Heimat und Familie sein. Denn der BVB entwickelt eine enorme Anziehungskraft: Er ist für die Menschen in einer Stadt, die permanenten Umbrüchen und Wandlungen unterworfen ist, die Konstante, bei der sie Glück und Zusammenhalt finden sollen. Die bedingungslose Treue der Fans ist sichtbarer Ausdruck seiner Bindungskraft. Sie macht den BVB zum Zuschauerkönig und sorgt dafür, dass er sich auch in schlechten Zeiten immer auf seine Fans verlassen kann. Das alles macht Borussia Dortmund zu einem bedeutenden und erfolgreichen Verein. Der BVB hat in seiner Geschichte Herzen erobert und Titel errungen: Champions League, Europapokal, deutsche Meisterschaften. Die Bereitschaft, immer alles zu geben und immer wieder aufzustehen, ist sichtbarer Ausdruck seiner Ambition. Sie macht den BVB zu einer festen Größe in der Bundesliga und sorgt dafür, dass er sich stolz und selbstbewusst seinen Gegnern stellen kann. Und auf die Liebe der Fans bauen kann. Gemäß dem Claim: Echte Liebe.

Soweit die entscheidenden Passagen, die der Verein im Web über sich veröffentlicht. Kommen wir zu Rheinmetall, laut eigener Aussage der internationale integrierte Technologiekonzern. Rheinmetall wurde im Jahr 1889 als „Rheinische Metallwaren- und Maschinenfabrik Aktiengesellschaft" gegründet. Heute ist Rheinmetall ein führender, global agierender, integrierter Technologiekonzern, der Komponenten, Systeme und Services für die Sicherheitsindustrie und zivile Industrien entwickelt und vertreibt. Als namhafter Entwicklungspartner und Direktzulieferer der globalen Automobilindustrie und als führendes internationales Systemhaus für Sicherheitstechnologie greift Rheinmetall gestützt auf die hohe Expertise in seinen Basistechnologien langfristige Megatrends auf, identifiziert zukunftsfähige neue Märkte mit hohem Wachstumspotenzial und entwickelt innovative Lösungen für eine sichere und lebenswerte Zukunft.

Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit ist integraler Bestandteil der Rheinmetall-Strategie. Bis 2035 will das Unternehmen CO2-Neutralität erreichen. Der Vorstandsvorsitzende wird mit diesen Worten zitiert: "Rheinmetall übernimmt Verantwortung in einer sich verändernden Welt. Als integrierter Technologiekonzern haben wir exzellente Voraussetzungen, um den Wandel der Märkte mitzugestalten und unsere ehrgeizigen mittelfristigen Ziele für nachhaltiges profitables Wachstum zu erreichen." Der Claim: Taking Responsability in a changing World.

Und wie passt das jetzt alles zusammen?

Ganz offen, ehrlich und unverblümt: Ich finde überhaupt nicht. Von mir aus gibt es noch die angesprochenen Übereinstimmungen bei der Herkunft, aber Ambitionen und Haltung erscheinen doch grundverschieden. Für mich sprechen drei klare Gründe dagegen, dass diese Partnerschaft eine gute Idee ist: Erstens die soeben beschriebene offensichtliche Diskrepanz zwischen den beiden Marken. Eine Sponsoringpartnerschaft bedeutet schließlich nicht nur, dass der eine dem anderen Geld gibt, sondern dass man auch in einer nachvollziehbaren Form zueinander passt. Zweitens die formulierte Zielsetzung mit der dahinterstehenden Strategie. Drittens das Sponsoring selbst mit den situativen Gegebenheiten, die man im Fußball vorfindet.

Und damit kein Missverständnis entsteht: Ich werde nicht in den Chor der Empörten einstimmen, die jetzt das Blut an den Stollen der BVB-Fußballer kleben sehen und Unternehmen wie Rheinmetall sowieso schon immer Kriegstreiberei unterstellen. Oder zumindest davon zu profitieren, wenn Menschen mit Gewalt sterben. Ich gehöre tatsächlich zu denen, die sich nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine darüber im Klaren sind, dass es Rüstungsindustrie einfach geben muss, um genau derartigem Treiben wirksam Einhalt gebieten zu können. Und letztendlich unsere Gesellschaft, unser friedliches Zusammenleben, unsere Demokratie zu schützen. Dazu braucht es Wehrhaftigkeit. Und die entsprechende technische Ausstattung. Das alles ist bei diesem Sponsoring tatsächlich nicht der Punkt.

Die formulierte Zielsetzung mit der dahinterstehenden Strategie

Armin Papperger möchte seine Marke als führendes Systemhaus der Verteidigungsindustrie und als Treiber industrieller Innovationen in zivilen Märkten auch international noch bekannter machen. Sagt er jedenfalls selbst. Die entscheidenden Fragen lauten aber: Warum will Rheinmetall bekannter werden? Bei wem? Und welchen Effekt erwartet man sich davon?

Selbstverständlich steigert das Sponsoring eines Fußballclubs aus der ersten deutschen Liga tatsächlich die Sichtbarkeit und sorgt für mehr Präsenz in der Öffentlichkeit. Allerdings nur für den Namen, das Logo. Die Inhalte und Botschaften, alles, wofür das Unternehmen steht, müssen flankierend, die geschaffene Präsenz ausnutzend, vermittelt werden. Sponsoring macht also sichtbar, mehr nicht. Und, das darf man nicht vergessen, diese Sichtbarkeit, die Präsenz erreicht man vor allem bei den Zielgruppen, die man mit der jeweiligen Sportart erreicht.Dagegen steht: Rüstung ist ein sogenanntes B2G-Geschäft, also Business 2 Government. Kunden sind im Wesentlichen Menschen, die in den Verteidigungsministerien der Staaten, die Rheinmetall mit Erlaubnis der Bundesregierung beliefern darf, für die Beschaffung von Ausrüstung zuständig sind. Das sind nicht wirklich viele Menschen, mit denen Rheinmetall Geschäfte macht. Und die wissen mit Sicherheit alle, mit wem sie es zu tun haben. Ein Blick in die Zahlen von 2023 zeigt, dass der Rüstungspart von Rheinmetall für Minimum 80 Prozent des Konzernumsatzes von 7,176 Mrd. Euro steht. Das bedeutet: 80 Prozent seines Geschäfts erzielt Rheinmetall mit einer vergleichsweise lächerlich geringen Anzahl an Kunden. Wozu also die Bekanntheit steigern?

Zumal die Marke in der deutschen Öffentlichkeit bereits über eine gewisse Bekanntheit verfügt. Gepaart mit einem doch eher gemischten Ansehen. Sprich: Bei den Kunden kann Rheinmetall eigentlich gar nicht bekannter werden. Und in der Öffentlichkeit kann es nicht darum gehen, sichtbarer und präsenter zu sein, wenn damit bei der überwiegenden Mehrheit negative Assoziationen ausgelöst werden. Insofern kann ich als Konzernchef von Rheinmetall doch nicht ernsthaft die Steigerung von Bekanntheit meiner Marke als Ziel ausrufen?

Eigentlich kann es bei einem Gang in die Öffentlichkeit für Rheinmetall also nur um die Korrektur des Bildes der Marke in der Öffentlichkeit gehen. Das Erreichen von mehr Akzeptanz, die Einsicht, dass es Geschäfte gibt, die man nicht liebt, aber vielleicht als sinnvoll und gesellschaftlich relevant betrachten muss. Das wird ein Sponsoring mit dem besprochenen Paket aber nie und nimmer leisten können. Laut eigener Aussage enthält die Champion Partnerschaft für Rheinmetall Bandenwerbung, Hintergründe bei Pressekonferenzen, Displays an der Stadionfassade. Viel mehr als das Logo und der Claim werden dabei nicht zum Einsatz kommen können. Das Sponsoringpaket, das kolportierte drei Millionen jährlich kosten wird, kann also eine Imageprofilierung oder -korrektur keinesfalls bewerkstelligen.

Vielmehr wird man mindestens dieselbe Summe, eher das doppelte, in die Aktivierung des Sponsorings investieren müssen. Um genau das zu erreichen, was gleich zum Start grandios schief ging: Den Sinn zu vermitteln. Also nachvollziehbar zu machen, warum Rheinmetall diesen Weg in die Öffentlichkeit sucht. Und dazu die Inhalte und Botschaften zu platzieren, die der Öffentlichkeit und der Gesellschaft ein neues, korrigiertes Imageangebot der Marke Rheinmetall unterbreiten. Ob diese Aufgabe im emotional aufgeheizten Fußballumfeld, dem Epizentrum des Vereins, in dem sich an Spieltagen die geballte Energie entladen soll, am besten aufgehoben ist, darf man getrost bezweifeln. Dafür braucht es meines Erachtens ein anderes mediales Umfeld, mehr Fingerspitzengefühl, bei der Vorbelastung der Marke wahrscheinlich auch eher leise, nachdenklich stimmende Töne. Und Fußball ist genau das Gegenteil davon.

Das Sponsoring selbst mit den situativen Gegebenheiten

Was im letzten Absatz bereits anklang: Wir befinden uns im wahrscheinlich emotionalsten und aufsehenerregendsten deutschen Sportumfeld. Und wahrscheinlich hofft man, dass davon etwas positiv auf die Marke abstrahlt. Aber die Menschen sind im Stadion, schauen sich die Spiele im Fernsehen an, um Fußball zu erleben. Sie wollen sich nicht mit den Widrigkeiten der politischen Weltlage und den daraus entstehenden Notwendigkeiten einer funktionierenden deutschen Rüstungsindustrie befassen. Sie wollen im Stadion und am Bildschirm wahrscheinlich sogar genau davor fliehen. Fußball ist emotional, Gefühle pur, die man für mehr als 90 Minuten ausleben kann und darf.

Das Geschäft mit der Rüstung ruft in uns allen ebenfalls Emotionen hervor. Allerdings keine positiven. Und muss deshalb in einem völlig anderen Kontext kommuniziert werden. Um dann wieder mit einer anderen Art der Emotionalität aufgeladen werden zu können. Wir verspüren Unbehagen, weil wir alle wissen, was man mit derartigen Waffen anrichten kann. Wir sehnen uns aber genauso nach Sicherheit, danach, keiner Bedrohung ausgesetzt zu sein. Darin liegt die Chance einer Marke wie Rheinmetall, hier hat sie ihre Existenzberechtigung. Die Bundeswehr thematisiert das mit ihren Kampagnen seit Jahren vorbildlich. Und erreicht den Effekt, dass ein über Jahre eher ambivalentes Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee Schritt für Schritt einem positiven Ansehen in der Mehrheit der Bevölkerung weicht. Sicher tut der Krieg in der Ukraine dabei sein Übriges. Aber man muss eben auch daraus etwas machen. Mit dem Claim „Mach, was wirklich zählt“ werden Inhalte transportiert, Geschichten erzählt, Argumente vorgebracht. Es wird echte gesellschaftliche Überzeugungsarbeit geleistet.

Der Fußball baut aber noch eine ganz besondere Hürde vor dem Kommunikationserfolg auf: Ich habe den Eindruck, dass sowohl der BVB als auch Rheinmetall das mitunter feine Gespür und die große Beharrlichkeit der Ultra-Fangruppen unterschätzt haben. Die Ultras der einzelnen Vereine sind sich zwar in der Regel spinnefeind, teilen aber auch eine ganze Menge an Einstellungen, Haltungen, Werten. Sie sind bestens vernetzt und in der Lage, koordiniert zu handeln. Das haben sie erst in der vergangenen Saison bewiesen, als sie nicht mehr und nicht weniger als die Sponsoringpläne der Deutschen Fußball Liga mit Tennisballwürfen krachend zu Fall gebracht haben. Banner, wie das der BVB-Ultras in Wembley beim Championsleague-Final werden kein Einzelfall bleiben: Rheinmetall: Mit dem Fußball zum Saubermann-Image? Protecting BVB from Sportswashing is our Mission. Das war dort zu lesen. Die Kampfansage ist gemacht, der Begriff ist geprägt. Wir werden sehen, wohin sich das entwickelt. Diese Zielgruppe ist jedenfalls nicht nur für Rheinmetall ein- für allemal verloren, sie könnte größeren Widerstand leisten, als man sich im Moment ausmalen will.

Also doch: Eher Sportswashing und keine gute Idee

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich finde es prinzipiell gut, dass eine Marke wie Rheinmetall mit der Heimlichtuerei aufhört und sich bewusst in die Öffentlichkeit begibt. Ich halte es angesichts der politischen Weltlage und dem, was das alles mit uns Menschen macht, für zwingend notwendig. Aber dann bitte nicht auf diese Art. Von mir aus kann man sich als Rheinmetall doch ein paar wunderschöne Logen bei den tollsten Vereinen aus der Region mit den spannendsten Sportarten leisten. Aber als Rüstungskonzern in die Öffentlichkeit zu gehen, die Gesellschaft für die Marke und ihre Mission einzunehmen, deutlich zu machen, welch relevante Rolle ich für Deutschland spiele, erfordert intelligentere Ideen und eine feinsinnigere Vorgehensweise. Dass eine Steigerung der Bekanntheit kein relevantes Kommunikationsziel der Marke Rheinmetall sein kann, erscheint für mich offensichtlich. Und für alles andere hilft der BVB nicht. Insofern erscheint der Vorwurf des Sportswashing durchaus berechtigt. Dazu kommt die eklatante Diskrepanz zwischen beiden Marken. Vor allem Borussia Dortmund verstößt mit dieser Kooperation klar gegen seine eigenen Werte. Und wird dafür die Rechnung von seinen Fans präsentiert bekommen.

Autor
Jörg Dambacher
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