Ein echter Insight fragt immer nach dem Motiv hinter den reinen Fakten. Dass in einem Land x % Wähler links und x % Wähler rechts wählen, ist zum Beispiel noch kein echter Insight, aus dem sich Kommunikation ableiten lässt. Erst wenn wir – eine Untersuchung hat das gezeigt – den Insight dazu herausgefunden haben, dass Wähler rechter Parteien im Vergleich zu den Wählern anderer Parteien mehr Angst vor der Zukunft haben, können wir kommunikativ etwas damit anfangen. Gutes politisches Marketing müsste dann idealerweise mit der Lösung an- treten, das Bedürfnis dieser Wählergruppe nach einer sicheren Zukunft mit der dementsprechenden Kommuni- kation zu bedienen. / Wo kann man Insights finden? „Wie habt ihr das bloß rausgekriegt?“ Das ist die Frage, die man nach der Entdeckung eines wirklich starken, echten Insights idealerweise zu hören bekommt. Für den ame- rikanischen Planner Richard Monturo von der TBWA sind Insights Wahrheiten, die sich in ganz vielen Feldern finden lassen. In Jean-Marie Drus „Beyond Disruption“ unter scheidet er zwischen Consumer-Insights, Business- Insights, Kategorien-Insights, Produkt-Insights und Marken-Insights. Dabei weist er auf den Fehler vieler Planner hin, nur bei den Konsumenten zu suchen (Dru 2002, 245 ff.). Als Beispiel für die Entdeckung eines neuen, treffenden, das Produkt nicht überbewertenden und rele- vanten Insighst aus dem Business heraus nennt Monturo den „We try harder“-Ansatz von Avis. Aus dem Umstand, dass Avis immer die Nummer zwei hinter Hertz war, leiteten die Strategen den schönen Insight ab, dass Menschen es dem Zweitplatzierten glauben, dass er alles versucht, um Erster zu werden, und sich darum mehr an- strengt, dem Konsumenten zu dienen. Das ist nur einmal ganz kurz um die Ecke gedacht – und dabei sehr ent- waffnend und intelligent. 31 H I N T E R G R U N D / Insight heißt Einblick und Einsicht. So weit, so gut. Wenn man sich dann näher damit be- schäftigt, stellt man fest, dass es ganz viele Definitionen des Begriffes Insight gibt – selbst innerhalb unseres Betätigungsfeldes „Werbliche Kommunikation“. Hier soll keine endgültige Definition vorgenommen werden, im Laufe des Artikels werde ich aber einige der gängigen Definitionen vorstellen. Ich werde die verschiedenen Facetten des Insight -Begriffes beleuchten und versuchen, einen stärkeren Bezug der Theorie zu unserer täglichen Praxis herzustellen. Im Marketing gilt, dass Menschen die Kommunikation als die beste empfinden, die verstanden hat, wie sie ticken. Dieses Verständnis gewinnt man aber nur, wenn man genau hinter die Dinge schaut. Eine erste Definition könnte also lauten, dass Insight eine Wahrheit ist, die man herausfindet, wenn man genauer nachforscht, fragt und dann in Hinsicht auf das Businessziel bzw. die Kommuni- kationsaufgabe interpretiert. Und von der man glaubt, dass sie innerhalb einer bestimmten Zielgruppe handlungslei- tend sein kann. Eine solche handlungsleitende Wahrheit hat man aber noch nicht gefunden, wenn man sich lediglich auf reine Daten beschränkt. Der berühmte Sponti-Spruch „ Deutsche, esst mehr Scheiße – eine Million Fliegen können sich nicht irren!“ illustriert sehr schön, dass, wer die Daten hat, noch lange nicht die Einsicht hat. Denn ein wichtiger Insight bei diesem Fall ist sicher: Für die breite Masse der Bevölkerung ist das Verzehren-Müssen von Exkrementen sicher eine – wie der Planner sagen würde – „ultimate fear“. Für den Insight-Gewinnungsprozess muss man also ganz genau wissen, dass man auch wirklich die richtigen Leute (und nicht Fliegen …) angeschaut hat. Wenn wir uns also noch weiter annähern, dann wäre ein Insight das, was wir aus erhobenen Daten über einen Markt, Menschen, ihre Verwendung von Produkten, ihre Träume und Ziele usw. herausgelesen haben und am Ende zu einer Strategie formen. TBWA-Präsident und CEO Jean- Marie Dru, Erfinder des Disruption-Ansatzes, mit dem die TBWA-Agenturen arbeiten, sagt es in „Beyond Disruption“ so: „Insights are the raw materials for disruptive visions and – as with all raw materials – better-crafted materials assembled with precision and craftmanship will yield better-quality finished goods.“ Das heißt: Je besser wir hineinschauen und hören, umso besser wird der Insight, umso ungewöhnlicher die nachher wieder veröffentlichte Kommunikation.