Die B2B Media Days 2024 - Ein Gespräch mit Bernd Adam

© Monique Wüstenhagen / Deutsche Fachpresse

Marke People Data & Tech Lifestyle
31.05.2024

„Fachmedien sind unentbehrlich für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft“, findet Bernd Adam. Er ist seit 2008 als Geschäftsführer der Deutschen Fachpresse tätig und spricht mit uns kurz nach dem Hauptkongress der Branche, den B2B Media Days, über Künstliche Intelligenz, Urheberrechte, Diskrepanzen in der Beurteilung von Print und alles, was die deutschen Fachmedien aktuell bewegt.

Deutsche Fachpresse - das B2B-Netzwerk

Der Verein Deutsche Fachpresse mit Sitz in Frankfurt ist seit seiner Gründung im Jahr 1992 eine zentrale Instanz für die Fachverlagsbranche in Deutschland. Mit rund 350 Mitgliedsunternehmen, in einer Branche mit über 5.600 Fachzeitschriftentiteln, vertritt der Verein die Interessen der Fachmedienanbieter auf nationaler und internationaler Ebene. Er bietet umfangreiche Dienstleistungen, darunter 17 Arbeitsgruppen, Marktanalysen, Weiterbildungsangebote und Netzwerkveranstaltungen, um den Austausch und die Innovationskraft innerhalb der Branche zu fördern.

Herr Adam, Sie kommen ganz frisch von den B2B Media Days aus Berlin. Mich interessiert zum Einstieg: Was waren für Sie die Highlights dieser Veranstaltung?

JD

Ganz klar das bestimmende Thema der Media Days war die Künstliche Intelligenz in ihren verschiedensten Anwendungsformen. Das hat man auch in den zahlreichen Beiträgen beleuchtet, sei es als Unterstützung bei der Content-Erstellung oder bei der Verarbeitung von Text, Bild, Video. Relevant für unsere Mitgliedsunternehmen und die Fachmedienhäuser insgesamt sind natürlich auch die ganzen Prozesse, die mittels KI unterstützt werden können. Also zum Beispiel Automatisierungsprozesse im Marketing. Das waren schon beeindruckende Themen.

Ich persönlich fand auch den Vortrag von Professor Baumgarth zum Thema B2B-Marke und B2B-Markenführung richtig gut. Das betrifft einmal die Kunden unserer Fachmedienhäuser, die Werbeleistung einkaufen und sich dabei überlegen müssen, wo sie ihre Marke positionieren und wie sie ihre Markenbotschaften am effektivsten kommunizieren, also welche Kanäle sie dafür einsetzen. Und das ist aber auch für unsere Häuser interessant. Weil die ebenfalls eine Marke haben, also eine Medienmarke. Und die sich natürlich überlegen, wie sie diese Marke ausspielen. Wir haben das bei unseren Fachmedien-Awards schließlich auch immer honoriert.

Highlights sind dazu natürlich auch immer die Awards, also Fachjournalist*in des Jahres und die Fachmedien-Awards. Außerdem hatten wir dieses Jahr etwas Besonderes: Johanna Heise, eine junge Verlegerin aus dem Heise-Verlag in Hannover hat die Strategie des Hauses für unsere Teilnehmenden umrissen und geschildert, wie es mit Heise-Medien weitergehen wird. Das war wirklich toll, weil wir hier sozusagen der nachrückenden Verleger-Generation ebenfalls eine Bühne bieten konnten und Johanna Heise uns zeigen konnte, welche Vorstellungen und Ideen sie für die Entwicklungen der Fachmedienhäuser hat.

Johanna Heise stellte in ihrem Vortrag heraus, dass sich die Welt immer schneller verändere und die Unsicherheit steige. Daraus resultierten auch Veränderungen für Heise und Anforderungen an die strategische Neuausrichtung. Alternde Zielgruppen, neue Wettbewerber, neuer Medienkonsum, schrumpfendes klassisches Magazingeschäft und kultureller Wandel, das sind die Herausforderungen, denen sich der Verlag stellen muss, um für die Zukunft fit zu sein. Es gelte dabei immer vor der Welle zu bleiben. Um in diesem Umfeld bestehen zu können, müsse Heise sich auf seinen Purpose konzentrieren und die Stärke der Marken ausspielen. Ihre erste große Aufgabe bestand dann auch darin, ein modernes Branding-Konzept für die Dachmarke Heise zu entwickeln und damit auch den Beschäftigten eine Perspektive für die Zukunft zu bieten.

BA

Alternde Zielgruppen, neue Wettbewerber, neuer Medienkonsum, schrumpfendes klassisches Magazingeschäft und kultureller Wandel, das sind die Herausforderungen...

Freude bei den Siegerteams des Awards „Fachmedium des Jahres 2024

Johanna Heise präsentiert die strategische Ausrichtung der heise group

Freude bei den Siegerteams des Awards „Fachmedium des Jahres 2024

Johanna Heise präsentiert die strategische Ausrichtung der heise group

Welchen Eindruck haben Sie von der deutschen Fachpresse insgesamt in Bezug auf KI? Ist man offen, euphorisch, ängstlich, abwartend? Wie würden Sie die Gemenge- und Gefühlslage beschreiben?

JD

Also ich würde sagen: Mehrheitlich offen und euphorisch. Viele sehen da große Chancen. Man setzt auf Effizienzsteigerungen und lästige Routinearbeiten, die wegfallen, gerade im Datenbankbereich. Wir hatten erstmals einen Award zur besten KI-Lösung. Da bietet speziell generative KI ganz neue Möglichkeiten, Datenbestände zu analysieren und auszuspielen. Gewonnen hat Otto Schmidt Answers, das ist eine KI-Anwendung, die auf der Otto Schmidt Datenbank basiert. Hier kann ich mit Prompts die Datenbank zu steuerrechtlich korrekten Vorgehensweisen abfragen. Die KI gibt mir dann eine entsprechende Antwort inklusive der Quellenangaben, die ich entsprechend be- und verarbeiten kann. Ich kann die KI aber auch damit beauftragen, mir ein Schreiben an das zuständige Finanzamt zu formulieren, wenn ich dort bereits im Dialog zu einem Thema bin. Die KI greift dabei auch nur auf die Datenbestände von Otto Schmidt zurück. Das ist also nicht das Internet insgesamt und sie sagen, dass zur Sicherheit immer ein Experte nochmal gegenlesen sollte. Trotzdem ist das sehr spannend, weil die Kanzleien natürlich enorm an Recherche- und Schreibarbeiten einsparen. Was am Ende dazu führen wird, dass sie wesentlich effizienter und schneller arbeiten können als bisher.

Insgesamt euphorisch aber auch deshalb, weil viele Redakteure, viele Redaktionen freuen sich, dass sie diese Tools zum Beispiel zur Vorgliederung von Texten zur Verfügung haben. Ein großer Einsatzbereich wird meinem Gefühl nach die Zusammenfassung von Studien oder längeren Papieren, die ich für die Recherche verarbeiten muss. Anstatt 30 Seiten zu Lesen schreibt mir die KI eine Zusammenfassung in kürzester Zeit. Da habe ich dann als Redakteur schon mal einen guten Überblick und kann meine Quellen, mit denen ich arbeite, als Journalist schneller und besser einordnen. Und unsere Dienstleister im Marketing, also Software und CRM-Systeme, die setzen KI ebenfalls schon ein. Vor allem, um die Qualität zu verbessern und um Automatisierungsschritte zu gehen.

BA

KI wird auf jeden Fall mehr und mehr zu einem hilfreichen, nützlichen Instrument.

JD

Nichtsdestotrotz muss man aber auch immer wieder betonen, was den Medienunternehmen generell nicht gefällt: Dass die Schöpfer der KI die Inhalte aus dem weiten Netz zusammengesucht haben und das zu einem großen Teil aus unserer Sicht urheberrechtlich geschützte Inhalte sind. Unsere Verlage sagen: Dafür möchten wir eine Vergütung haben, wenn dieser Content von der KI eingesetzt und benutzt wird.

BA

Unsere Verlage sagen: Dafür möchten wir eine Vergütung haben, wenn dieser Content von der KI eingesetzt und benutzt wird.

Was tun Sie ganz konkret?

JD

Unsere Träger, also sowohl der MVFP (Medienverband der freien Presse, Berlin) als auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels (Frankfurt/M.) sind da bereits politisch aktiv, um diese Forderung entsprechend zu platzieren und umzusetzen.

BA

Ok, aber das wird wahrscheinlich ein ziemlich dickes Brett, oder?

JD

Das ist ein dickes Brett, wir wissen, dass in den USA ja auch manche Medienunternehmen die KI-Hersteller verklagt haben, bislang ohne handfestes Ergebnis. Wir müssen hier in Deutschland und Europa sicherlich einen eigenen Weg gehen, aber ich kann sagen, dass hier die Arbeit unserer Träger in Richtung Politik sehr intensiv ist.

BA

interessanter Aspekt, den es sich sicher weiter zu verfolgen lohnt. Anderes Thema: Wie geht es denn der Fachpresse angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland, die ja nicht ganz so rosig ist? Spüren Sie das? Spüren das Ihre Mitglieder?

JD

Wir spüren das unterschiedlich. Man muss die Fachmedien in vielerlei Anwendungsfelder aufteilen. Es gibt Fachmedienangebote, die nutzen Sie wie ein Werkzeug, ein Arbeitsmittel. Also, wenn Sie keinen Laptop haben, können Sie heute auch nicht mehr arbeiten und genauso ist es mit unseren Angeboten in vielen Bereichen. Wenn Sie nicht Zugang zu einer Datenbank haben, zu Fachbüchern, zu aktuellen Gerichtsurteilen oder auch im Medizinbereich, dann können sie nicht vernünftig arbeiten. Da ist meines Erachtens keine große Veränderung zu bemerken. Wo wir Veränderung bemerken, und das ist sehr wohl konjunkturbedingt, ist in einigen Industriebereichen. Und dort vor allem auch im Bereich der Printanzeigen. Also ich würde jetzt mal sagen, dass seit einem halben Jahr, vielleicht dreiviertel Jahr, starke Zurückhaltung bei den Werbekunden herrscht. Die schalten weniger Printanzeigen, meist begründet mit der konjunkturellen Situation. Da wird auch nicht zwingend auf digitale Medien ausgewichen, sondern insgesamt werden Etats gekürzt, weil man uns sagt, dass man da jetzt einfach das Geld zusammenhalten muss. Was ungebrochen gut läuft, sind Newsletter.

BA

Was ungebrochen gut läuft, sind Newsletter.

Das sind die drei Fachjournalist:innen des Jahres 2024

Hier trifft sich der Nachwuchs: Die Alumnis der Young Professionals‘ Media Academy

Das sind die drei Fachjournalist:innen des Jahres 2024

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Ich gehe jetzt mal davon aus, dass alle, die den Maschinen- und Anlagenbau bedienen, alle, die sich mit dem Bau beschäftigen, gerade eine richtige Krise haben. Auch im Automobilbereich sind viele verunsichert. Und dann gibt es wahrscheinlich andere Bereiche, etwa Lebensmittel, Lebensmitteleinzelhandel, da läuft es nach wie vor ungebrochen gut. Können wir das ungefähr so sagen?

JD

Also ich kann das jetzt so nicht für die einzelnen Märkte bestätigen, aber es ist tatsächlich sehr unterschiedlich und sehr branchenabhängig. Beim Lebensmitteleinzelhandel ist man meines Wissens momentan auch eher abwartend, weil die die Konsumzurückhaltung auf Grund der Inflation bemerken. Und das hat eben nicht nur konjunkturelle Gründe, sondern es liegt auch an den politischen Lenkungsinstrumenten, die weggefallen sind und sich entsprechend auswirken. Diese ganzen wirtschaftlichen Entwicklungen schlagen natürlich auf die Fachmedien durch. Und die ersten, die es merken sind immer diejenigen, die Medialeistung verkaufen. Momentan vor allem in den Fachzeitschriften, also den gedruckten Medien.

BA

Ich habe schon länger den Eindruck, dass die Auftraggeber aus der Industrie die Leistungsfähigkeit der Printmedien und die Werbeform Print unterschätzen. Was sagen Sie dazu?

JD

Ich glaube, es gibt tatsächlich eine starke Diskrepanz bei Print aus Sicht der Marketingverantwortlichen und Marketingentscheider und Print aus Sicht der Leserinnen und Leser. Also wir geben ja bei der LAE, der LAE - Leseranalyse Entscheidungsträger, immer eine Sonderfrage mit. Und da haben wir zum Beispiel festgestellt, dass unter Vierzigjährige Fachzeitschriften intensiver nutzen als über Vierzigjährige. Print ist also kein Altersthema. Und wenn Sie die Leute fragen, und dazu gibt es zahlreiche Befragungen, dann ist es so, dass sie gerne Fachzeitschriften lesen und nutzen. Trotzdem existiert diese Diskrepanz. Interessanterweise auch im Unternehmen selbst. Zwischen den Kommunikations- und PR-Verantwortlichen, die Fachzeitschriften haben möchten und brauchen, um ihre Botschaften in die Welt zu bringen. Und dem Marketing, das lieber soziale, digitale Kanäle nutzt oder gar eigene Medien, Corporate Media, produziert. Aber für die Fachverlage bleibt am Ende des Tages, dass sie die Fachzeitschrift nur dann weiterhin publizieren können, wenn die Finanzierungsquelle Werbung besteht. Das gilt zumindest für die meisten.

Leserinnen und Leser nutzen gerne das gedruckte Fachmagazin, aber die Werbetreibenden sehen das irgendwie nicht so und weichen lieber in andere Kanäle aus. Interessant ist dabei, dass zum Beispiel die dfv Mediengruppe schon vor längerer Zeit mehrere Studien über die Nutzung der Fachzeitschriften durchgeführt hat. Und da ergab sich die Erkenntnis, dass die gedruckten Exemplare gerne im privaten Umfeld genutzt werden, viele nehmen die mit nach Hause. Fachzeitschriften werden auch in einem bestimmten Nutzungsfenster gelesen, man nimmt sich also bewusst eine Viertelstunde Zeit mit seinem Magazin, um darin zu blättern, um die Themen zu überfliegen und zu entscheiden, was man später noch vertiefen will. Und das sind alles Vorteile in der allgemeinen Betrachtung, die eine eigene Wertigkeit haben, weil der Konsum des Mediums ein ganz anderer ist.

Ich bin der Überzeugung, dass Printmedien Pushmedien sind. Die hat man vor sich auf dem Tisch oder neben dem Sofa liegen und sie fordern einen geradezu auf, sie in die Hand zu nehmen, darin zu blättern und zu lesen. Sie sind schwer zu ignorieren. Das ist bei digitalen Angeboten vollkommen anders.

BA

Ich bin der Überzeugung, dass Printmedien Pushmedien sind. [...] Ich bin fest davon überzeugt, dass Fachmedien wirklich unentbehrlich sind für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

Bernd Adam

Wie schätzen Sie die Zukunftsperspektiven der Fachmedien ein?

JD

Die Stimmung ist gut, die Fachmedien schaffen zahlreiche neue Berufsbilder, suchen entsprechend neue Arbeitskräfte. Da reden wir über Social Media Management, Programmierung, Betreuung von Datenbanken, innovative KI-Anwendungen, Projektmanagement, agile Projektentwicklung … für alles das wird Unterstützung gesucht. Ich glaube, die Aussichten der Branche sind sehr gut. Ich bin fest davon überzeugt, dass Fachmedien wirklich unentbehrlich sind für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Ich hatte vorhin bereits ausgeführt: Wer in vielen Berufen erfolgreich sein will, der braucht dafür Fachinformationen als Grundlage. Vielleicht die Fachzeitschrift, vielleicht die Datenbank oder das Video, den Newsletter als regelmäßiges Update. Für junge Leute bedeutet das zahlreiche Chancen und Möglichkeiten, weil Fachmedienhäuser in der Regel nicht sehr groß sind. Wenn ich dort arbeite, habe ich in der Regel ein vielfältiges Aufgabenfeld und bekomme relativ früh relativ viel Verantwortung. Mein Eindruck ist, dass die Young Professionals, die wir einmal im Jahr auch in unserer Young Professional Academy zusammenbringen, eine hohe Jobzufriedenheit haben.

BA

Klingt doch insgesamt nach positiven Aussichten. Sowohl für die Branche als für Talente, die ein spannendes Betätigungsfeld suchen. Herr Adam, vielen Dank für das interessante, kurzweilige Gespräch.

JD

Sehr gerne.

BA

Fotos: © Monique Wüstenhagen / Deutsche Fachpresse

Autor
Jörg Dambacher
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