Ok, gebe ich auch noch meinen Senf dazu: Jetzt ist die Katze aus dem Sack! Oder auch nicht. Denn sie existiert nicht mehr: die Wildkatze im Logo der Marke Jaguar. Die hat sich nämlich komplett neu erfunden: Logo verschlankt, Markemblem spartanisiert, Jaguar ausgewildert. Und dazu die neue Werbekampagne: Bunt gewandete Divers-Wesen bewegen sich aseptisch-apathisch durch eine rosafarbene Wüstenlandschaft („Copy nothing!“). Wokeness at its best! Der Kontrast zum traditionellen britischen Tweed-Jackett-Image der Marke hätte krasser nicht ausfallen können. Und dann erst die neuen Elektro-Jags! Erste Designstudien zeigen kantige, testosterongepimpte Karosserien in Pink, die so gar nicht mehr an die elegante Formensprache eines E-Type oder XJ erinnern.
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Entsprechend orkanartig war der Shitstorm, der über das Jaguar Management hinwegfegte. „Ein Witz!“, „Bunte Beerdigung!“ und so weiter. Dass aber ausgerechnet der Erfinder des auf dicke Hose machenden Cyber Trucks und Trumps neuer Best Buddy Elon Musk sich darüber aufregt („Baut ihr Autos?“) ist ein Treppenwitz der Automobilgeschichte.
Ich muss zugeben, in meinen ersten Reaktionen war auch ich auf Krawall gebürstet: Sie opfern die bedrohte Wildkatze auf dem Altar des Zeitgeistes! Sie killen die Marke und pinkeln auf ihr Grab! Sie wollen Aufmerksamkeit um jeden Preis!
Stopp! Aber genau darum geht’s doch heute in der Kommunikation. Und von britischem Gentlemen-Understatement, Rallye-Monte-Carlo-Romantik und handgenähter Lenkradbelederung ist die Marke heute so weit entfernt wie Olaf Scholz von einer zweiten Kanzlerschaft.
Im Laufe der Jahre wechselte Jaguar so oft seine Besitzer wie Liz Taylor ihre Ehemänner (British Leyland, Austin Rover Group, Ford etc.) Schon 2007 wurde Jaguar von der Tata-Gruppe aus Indien übernommen (wahrscheinlich die späte Rache für jahrzehntelange britische Kolonialherrschaft). Der Britisch-Racing-Green-Lack der einstigen Traditionsmarke ist also längst abgeblättert. Die Katze auf der heißen Blechhaube löst bei den Aficionados sportlich-eleganter Fahrkultur eher Spott als Herzklopfen aus: Früher als der Vertreter-Ford im Raubkatzenpelz, heute als der Jaguar von Eschnapur.
Warum also nicht mal ordentlich auf die Kacke hauen? Weg von der angerußten V12-Nostalgie, dafür konsequent auf E-Mobilität setzen, kommunikativ Neuland befahren und die nächste Käufer-Generation erobern? Denn, dass ein „Weiter so!“ nicht der automobilen Weisheit letzter Schluss ist, zeigt gerade in drastischer Weise die Krise der deutschen Autobauer von Audi über BMW und Mercedes-Benz bis VW.
Es ist zweifelsohne ein riskantes Unterfangen, dessen Gelingen in den Sternen steht. Zumal beispielsweise die Logo-Verschlankung gerade auch in der Automobilbranche ein alter Hut auf der Heckscheibenablage ist (BMW, Audi, VW etc.). Aber um es mit Brecht zu sagen, wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren. Vielleicht ist die automobile Zukunft ja puristisch und woke, ziemlich sicher ist sie elektrisch. Vielleicht frisst die Revolution aber auch ihre Kinder. Dann war eh alles für die Katz.