Von Mensch zu Mensch.
Marketing-Update mit Waldemar Pförtsch.
#7: Tesla. Wenn der Besitzer die Marke ist und komisch wird.

Lieber Waldemar, seit unserem letzten Gespräch ist einige Zeit vergangen und in der Welt ist viel passiert. Deshalb möchte ich heute mit dir über Tesla reden. Und natürlich über Elon Musk und die Rolle, die er gerade spielt. Also ich würde gerne mal von dir hören: Was passiert da gerade unter dem Aspekt der Marke?

JD

Ja, das ist natürlich ein heißes Thema und nicht gerade einfach zu analysieren. Weil da auch sehr unterschiedliche Faktoren zusammenkommen. Nehmen wir die große Message mit dem Umsatzrückgang bei Tesla zum Jahresanfang, die durch die deutsche Presse ging. Ich habe bei meinem USA-Aufenthalt im Februar intensiv mit einigen Insidern darüber diskutiert. Die sagen, dass im Januar immer ein Rückgang ist. Das ist einfach saisonal. Dabei war es 2025 allerdings sogar eher weniger als der im Januar sonst übliche Rückgang. Sprich: Die mediale Begleitung hatte einen eigenen Charakter. 

WP

Verstehe ich das richtig: Ein normaler Vorgang wurde von der Presse anders „geframet“?

JD

Genau, die haben das einfach in den Zusammenhang gebracht, dass Musk jetzt mit der Kettensäge durch die Ministerien geht. Deswegen haben sie die Zahlen so interpretiert, als ob das Phänomen von seinem Verhalten herrührt und nicht aus dem Konsumentenverhalten. Also da waren sicherlich auch ein paar Aspekte dabei, also dass Konsumenten weniger gekauft haben. Aber Käufe von Autos werden natürlich langfristig geplant, sind schließlich große Gebrauchsgüter, die anderen Entscheidungsrhythmen unterliegen. Aber der Hauptpunkt ist der, den auch die Journalisten aufgebracht haben: Ist Elon Musk ein positives Element der Markenführung bei Tesla oder ist er es nicht? Und die Antwort ist nicht so einfach.

Also grundsätzlich: Ja, da gibt es überhaupt keine Frage. Er hat alles gemacht, um sich in den Vordergrund zu stellen. Er hat zum Beispiel die ganze Marketingabteilung abgeschafft. Es gibt auch keine PR mehr. Er macht das alles über seinen eigenen Kanal X. Die Auswirkungen von Elon Musk auf die Marke sind enorm. Er polarisiert, aber ich denke, dass gegenwärtig immer noch mehr als 60 Prozent ihn gut finden. Es gibt Gruppen, die finden ihn überhaupt nicht gut. Aber er hat natürlich Mechanismen drauf … schau nur die Medienmacht. Es ist doch toll, wenn ich mir mein eigenes Kommunikationsmedium zugelegt habe, was doch deutlich über das Normale hinausgeht. Also wir sehen bei Musk verschiedene Phänomene: Einmal natürlich die effektive Nutzung von Marketinginstrumenten. Aber zum anderen auch die Dominanz von Hightech-Millionären oder -Billionären, die die Welt zu ihren Gunsten zu gestalten versuchen. Und das hat wahrscheinlich viel größere Auswirkungen auf seine Marken.

Er hat ja noch weitere Marken, die nicht so ganz im Fokus stehen. Also Starlink zum Beispiel oder SpaceX, Neurolink. Das sind alles phänomenale Unternehmen, die da an der Zukunft am Werkeln sind. Und da wird sein Hang zur Propaganda wahrscheinlich nicht so negativ gesehen. Dazu vermute ich auch ein speziell deutsches Phänomen. In den USA ist das alles im Moment noch nicht negativ belegt.

WP

Ok, also ich finde, Tesla hat von Anfang an alles richtig gemacht. Und ich vermute, dass das sehr stark von Musk beeinflusst war, denn im Unternehmen passiert nichts, was Musk nicht beeinflusst. Die haben von Anfang an nicht Autos verkauft, sondern einen modernen, nachhaltigen elektronisch-elektrischen Lifestyle 

JD

Sie verkaufen die Zukunft.

WP

Genau, ich erinnere mich an die erste Homepage. Auf der war eine Hausanlage abgebildet, also mit Photovoltaik auf dem Dach, Speicher unten im Keller, natürlich intelligent gesteuert durch einen Computer für die Entscheidungen: Wann lädt man was? Wann verbraucht wer Strom? Wann wäscht man die Wäsche, wann braucht man die Energie für den Herd? Und ich erinnere mich daran, das ist mindestens 12, 15 Jahre her, dass das Auto, das vor der Garage, an der Ladestation hing, das einzige Produkt war, das es zu kaufen gab. Der Rest war reine Fiktion. Für mich heißt das, dass Elon Musk schon immer einen anderen Blick auf die Dinge gehabt hat. Und das ist wahrscheinlich letztendlich auch der Grund, weshalb die Marke so brutal attraktiv war.

JD

Wie gesagt, er verkauft die Zukunft, er verkauft ja nicht ein Produkt, sondern eine Solution. Also: Wie lebe ich in Zukunft besser?

WP

Genau, einen Lifestyle, den man sich zwar leisten können muss, den man dann aber auch mit gutem Gewissen lebt.

JD

Und der die Grenzen sprengt. Also ich persönlich hatte die Gelegenheit einen Cybertruck zu fahren. Der sieht natürlich von außen extrem hässlich aus, aber die Technologie ist gigantisch. Also, der hat ein Self-Driving. Ich bin eine halbe Stunde gefahren und dann habe ich auf den Knopf gedrückt und gesagt, fahr zurück. Und dann ist er zurückgefahren. In einer Art und Weise, die für mich phänomenal war. Er hat zwar ein paar Fehler gemacht, aber du bist ja auch noch am Lenkrad und du kannst da noch eingreifen und ich musste auch eingreifen, aber den Rest hat er selbst gemacht.

Also diese Art von Zukunft ist natürlich eine phänomenale Zukunft. Und die anderen Projekte, die Elon Musk macht, die gehen ja noch viel weiter. Also SpaceX zum Beispiel oder Starlink, mit dem er weltweit schnelles Internet bereitstellt, bis in die abgelegensten und schlecht versorgten Gebiete. Das ist ja ebenfalls phänomenal. Und das sind ja Ideen, die eigentlich nur die besten Leute in der Technologie haben. Und er hat den Mut, solche Ideen einfach umzusetzen. Dabei hat er natürlich auch ein bisschen Glück gehabt mit PayPal und so.

WP

Was auch schon eine gute Idee war.

JD

Was eine gigantische Idee war!

WP

Ein Produkt, das ich nach wie vor sehr gerne nutze. Eigentlich nach wie vor das einzige wirklich sichere Online-Geldüberweisungssystem.

JD

Also es gibt schon andere in der Zwischenzeit, aber ich sage mal, diese Innovations- oder Zukunftsorientiertheit ist natürlich ein maßgeblicher Kern einer Markenbotschaft, die wirklich eine Wirkung hat. Trotzdem: Personen werden manchmal größenwahnsinnig. Und ich vermute mal, dass es das ist, was wir gerade erleben. Aber Marken leben ja langfristig und die Loyalität zu den unterschiedlichen Marken von Elon Musk ist einfach gegeben und wird sich auch noch die nächsten Jahre positiv auswirken. Aber man kann sie auch zerstören.

WP

Bleiben wir einfach nochmal bei Tesla. Also wenn wir jetzt mal sagen, okay, er hat sowas ähnliches gemacht wie Steve Jobs mit Apple. Er hat sich als Mr. Tesla kultiviert. Richtig?

JD

Ja, ich würde mal sagen, das hat sich in den letzten Jahren ergeben, dass er sich so positioniert hat. Es kam einfach durch seine Entscheidungen. Damit ist er mehr und mehr in den Mittelpunkt getreten. In der Zwischenzeit kultiviert er es, ohne Zweifel.

WP

Aber das war ja bei Steve Jobs eine ganz ähnliche Entwicklung. Der war das auch nicht von Anfang an, aber er hat sich eben mehr und mehr dahin entwickelt.Und wir wissen nicht, ob Elon Musk es bewusst gemacht hat. Aber ich könnte mir vorstellen, dass er, irgendwann an einem Punkt, an dem er sich überlegt hat, was er auf diesen Personen-Marken-Kult noch draufsetzen könnte. Und dann hat er sich überlegt, dass er einen eigenen Kanal braucht.

JD

Denn das ist ja eigentlich die höchste Stufe.

WP

Ja, genau.

JD

Also, es gibt nur noch eine oben drüber, die heißt Gott.

WP

Ja, weißt du, da denke ich an unsere vergangenen Gespräche zurück, wo wir auch mal über diese Monopolismus-Tendenzen von Google gesprochen haben und so. Irgendwann kommen diese Marken scheinbar immer an den Punkt, an dem plötzlich irgendwas kippt. Und ich finde, bei Elon Musk ist es an der Person abzulesen.Also dann kauft er für, was hat er bezahlt? 44 Milliarden Dollar oder was?

JD

Genau, genau, genau.

WP

Er bezahlt mal kurz aus der Portokasse den größten Kurznachrichtendienst, den es online gibt.  Er zerstört die Marke Twitter, entlässt die Hälfte aller Mitarbeitenden. Im Prinzip macht er genau dasselbe, wie er jetzt schon fast die Marke USA zerstört und dort auch alle entlässt, die ihm irgendwie zuwider sind.

JD

Ja gut, also jetzt mal langsam, langsam, langsam. Was er bei Twitter gemacht hat, war nicht unbedingt erfolgreich im Sinne von Twitter, aber es war erfolgreich in seinem Sinne.

WP

In seinem Sinne war das erfolgreich, vollkommen richtig.

JD

Und ich bin jetzt nicht auf Twitter, aber die Leute, die auf Twitter/X sind, die spüren ja, wie sie mittlerweile zugespamt werden mit Sachen, die sie eigentlich gar nicht wollen. Aber das ist ja Teil des Konzeptes. Und ich sage mal, man kann noch eine Stufe obendrauf setzen und der Messias werden. Aber eigentlich geht es nicht höher. Und wenn ich die Instrumente habe, wie zum Beispiel diesen X-Kanal, dann bin ich in der Lage, alle anderen Sachen leicht zu bewerkstelligen. Und das kann man zunächst einmal positiv sehen. Aber auf der anderen Seite gibt es die negative Komponente, dass es keine staatlichen Regulierungen gibt. Das ist eben auch eine Realität. Und die kann eine ganze Menge negative Folgen haben, die wir jetzt noch gar nicht abschätzen können, weil wir gar nicht wissen, was das bedeutet. Und das ist immer so in der Geschichte. Neue Phänomene können Erfolge und fantastische Sachen hervorrufen, aber sie können auch gleichzeitig, was wir vorhin gesagt haben, monopolistische oder andere Strukturen schaffen, die zum Nachteil sind. Und damit müssen wir jetzt eigentlich rechnen, dass das passiert. Aber, vom Markengesichtspunkt her: Besser kann man es nicht machen.

WP

Ja, ja, da bin ich bei dir. Überleg doch mal, es ist noch gar nicht so lange her, da haben viele Unternehmen sich überlegt, wie sie sich eigene Plattformen schaffen können. Dann kam ihnen das Internet ins Haus geschneit mit der Möglichkeit einer eigenen Website. Und sie haben angefangen, Magazine zu machen. Also ich sage mal, die Tendenz einer Marke, sich auch eigene Kanäle zu schaffen, direkt zur Zielgruppe, ist ja auch im Sinn des H2H-Marketing vollkommen legitim.

JD

Absolut, absolut. Je besser so ein Unternehmen das machen kann und je mehr Marktabdeckung es damit schafft, umso besser ist es. Und es gibt ja Unternehmen, die genau die andere Entscheidung getroffen haben. Also ich erinnere an Siemens, die hatten ja Konsumgüter, die hatten Handys, die hatten ja alles in der Hand und haben es dann weggegeben. Weil ihre Entscheidung war, nein, wir sind ein Technologiekonzern, wir bleiben bei unseren Fähigkeiten und bleiben so, wie wir sind. Das war eine Entscheidung, die sich, wenn ich sie jetzt nachträglich betrachte, auch positiv ausgewirkt hat. Sie sind im Moment der größte Elektrokonzern der Welt. Auch deswegen, weil die anderen versagt haben. Aber ihre Strategie war genau die andere Richtung, nicht den Personenkult, nicht den Zugang zum Individuum. Das war ein bewusster Schritt auf diese Seite. Und was wir bei Musk sehen, ist ja die andere Seite. Andere Intention, andere Zielrichtung und andere Effekte.

WP

Okay: Unter Markengesichtspunkten war diese Entwicklung zunächst mal vorbildlich, weil überragend positioniert, auch im Vergleich zu anderen Autoherstellern. Er hat von Anfang an was viel Größeres verkauft. Während die anderen immer noch in Mobilitätslösungen oder sowas gedacht haben, hat er einen Lebensstil verkauft, mit einem extrem relevanten Punkt, nämlich mit diesem Nachhaltigkeitsaspekt. Dann ist er zu einer personifizierten Markenfigur geworden. Er hat ja schon einen großen Anteil Genialität in seiner Persönlichkeit, den er da vermittelt hat. Und dann ist er den nächsten Schritt gegangen und hat sich den größten existierenden Kurznachrichtenkanal einverleibt und für sich und seine Marke genutzt.

So und jetzt kommt ja irgendwo dieser Punkt, wo es spannend wird. Dann beginnt er sich mit Donald Trump zu verbünden, beginnt ein in irgendeiner Form politisches Amt auszuüben. Dabei engagiert er sich mächtig im US-Wahlkampf, supportet die AfD in Deutschland und plötzlich tauchen Aufkleber auf Tesla-Fahrzeugen auf. Der Text: I bought this before Elon went crazy.

JD

Ja, okay, ich sage mal das ist doch nur ein Nebenaspekt oder eine Gegenreaktion von einzelnen Personen. Solche Oppositionsgruppen gibt es immer. Also die Tendenz, die wir hier sehen, ist die, dass sozusagen die Allmacht der Marke eine neue Dimension bekommt. Also wenn wir jetzt einen Elon Musk weiterspinnen, ist er dann in Zukunft unser aller Chef, also Global Head of the World?

WP

Chief Earth Officer?

JD

Genau, der Sonnenkönig Ludwig XIV., der war ja in einem ähnlichen Stadium und ist dann später tief gefallen. Aber ich sage mal, dass diese Tech-Milliardäre, und wir haben sie ja alle bei der Amtseinführung von Donald Trump gesehen, dass die genau das wollen. Die wollen von der Businessseite rüber zur politischen Seite, um das zu rechtfertigen, was sie bisher gemacht haben. Und das ist natürlich für die Welt gar nicht so lustig. Möglicherweise haben wir jetzt bessere Autos, bessere Kommunikation und bessere was auch immer, Gehirn-Fingerverbindung. Aber die großen Konsequenzen sind vehement und können möglicherweise zu unguten Entwicklungen führen. Gegenwärtig ist die Unterstützung für solche Entwicklungen in den USA bei, ich sage mal, etwas über 50 Prozent. Also wenn wir die Zustimmungszahlen vom amerikanischen Präsidenten sehen. Es gibt eine knappe Mehrheit, die das Ganze gut findet, und die anderen sehen es eben ganz anders. Das große Bild von dem, wie das in der Welt weitergeht, müssen wir aber auch sehen. Wir haben auf der anderen Seite der Welt, in China oder Russland, ganz andere Tendenzen. Da finden Marken auch nicht unbedingt nur auf der Ebene von Unternehmen statt, sondern ebenso auf der Ebene politischer Institutionen. Aber der entscheidende Punkt, wie du vorhin auch gesagt hast, ist doch, dass es immer um den Trust in die Marke geht. Und natürlich, wenn dann eine Person sich als Teil der Marke zelebriert, natürlich auch in die Person. Und das ist eine neue Situation. So hatte man das noch nie, nicht in dieser Form und Größenordnung.

WP

Also die entscheidende Frage ist doch, Waldemar, wenn ich mich als CEO, als Gründer, Erfinder einer solchen Marke, auf diese Art in den Vordergrund stelle, wie das Elon Musk tut. Wie weit kann ich polarisieren, wie weit kann ich politisieren, bis ich den Bogen überspannt habe? Bis ich also anfange, die Marke zu beschädigen. Das ist ja doch der Punkt bei Tesla gerade im Moment, oder? Und ich mag ja da immer deinen internationalen Blick und ich denke, wir können davon ausgehen, dass wir Deutschen da immer besonders aufgeregt reagieren. Wir haben gerade auch alle Gründe, besonders angepisst zu sein bei alledem, was uns aus Amerika an Botschaften und Verhaltensweisen erreicht.Aber auf der anderen Seite passieren ja schon auch so ein paar ganz komische Dinge bei Tesla selbst. Oder es passiert nichts.

Ich habe zum Beispiel neulich einen Artikel gelesen, da hat einer mal ganz nüchtern Tesla analysiert und geschrieben, dass die seit fünf, sechs Jahren überhaupt nichts mehr an ihren Autos gemacht haben.

JD

Das sind alles alte Autos, ja.

WP

Foto: Patrik Schneider via Autoren-Union Mobilität

Richtig, das sind alles alte Autos. Da ist nichts Großartiges passiert. Du kriegst als Tesla-Besitzer ab und zu online ein Software-Update verpasst. Aber rein technologisch... ich kann bei denen kein neues Auto kaufen. Ich höre auch keine spektakulären Ankündigungen. Es gibt halt diese vier Modelle. Und das war's.

JD

Na gut, das neue Robotaxi ist in der Mache, das hast du vielleicht mitgekriegt, das ist ja der kleine 3er. Meine Einschätzung ist, dass es noch ein bisschen dauert, aus verschiedenen Gründen. Vor allem, weil dieses vollautomatisierte Fahren nur mit riesigem Aufwand und extremen Investitionen funktionieren wird. Das gilt auch für Waymo von Google, deren Fahrzeug gibt es ja schon. Aber die sind alle noch nicht da, wo sie hinwollen. Es wäre der nächste Schritt und Tesla hat ihn angekündigt. Wobei der Self-Driving-Cybertruck existiert und ist ja auch eine Innovation, die wir sozusagen nicht wahrnehmen wollen, sage ich jetzt mal bewusst, weil die Deutschen sich dem verweigern. Also aus welchen Gründen auch immer. Oft wird die legale Seite vorgeschoben, also das Thema der Technologie Steer-by-Wire. In Deutschland müssen alle Autos eine Eisenverbindung zum Lenkrad haben. Der Cybertruck hat die nicht und deswegen wird er in Deutschland auf absehbare Zeit nicht kommen. Er ist aber da, weil er das Leben ja auch erleichtert.

WP

Aber es gibt doch massive Versuche von deutschen Herstellern mit selbstfahrenden LKWs, dachte ich.

JD

Ja, die gibt es. Aber es sind halt Versuche.

WP

Und keine ernsthaften Ambitionen, da was auf den Markt zu bringen?

JD

Doch, doch, doch. Der Daimler hat das alles, der hat das seit Jahren.Und das wäre ja auch die richtige große Innovation der Zukunft. Kannst du dir vorstellen, wie viele Arbeitsstunden da plötzlich produktiv werden könnten, wenn niemand mehr hinter einem Lenkrad sitzen müsste? Also ich würde deiner Aussage, dass keine Innovation kommt, widersprechen. Wegen dem Robotaxi. Das ist nicht nur ein kleines Auto, es ist ein selbstfahrendes, kleines Auto.

WP

Ich glaube dieses Statement ging eher in die Richtung, dass Tesla mal ein paar Produktvarianten hätte bringen können. Keine Ahnung, einen Kombi aus dem Model 3, ein Cabrio oder irgend sowas. Das macht Tesla aber alles nicht. Sondern es gibt im Moment nur diese vier Modelle.

JD

Und verkaufen tun sich davon nur zwei, der drei und der Y. Der X ist overengineered und der S ist zu nah an Mercedes etc. Dabei sind der 3 und der Y dazu noch technologisch nahezu gleich. Kein großer Unterschied. Der Y ist nur ein bisschen größer.Also du hast recht, man könnte Produktvarianten bringen. Bringen sie nicht. Weiß ich jetzt nicht, warum. Der Cybertruck wäre der große Sprung. Und wie gesagt, das Robotaxi steht an. Deswegen, ich sehe das jetzt nicht so negativ, sondern ich sehe eher, dass da ein riesiger Schub ansteht. Und was ich jetzt in den USA persönlich erlebt habe: Sie verkaufen das Auto immer mit dem Haus, mit der Solaranlage usw. Ja, genau. Das ist kein Autohändler, das ist ein Verkaufscenter. Du gehst hin und kaufst alles zusammen. Also, eigentlich wie in der Vision. Ich wollte mich über Solartechnologie informieren. Ich komme dahin und dann sagen die, hey, willst du mal einen Cybertruck fahren? Und schon saß ich drin.

WP

Ich wollte noch einschieben, dass Elon Musk schon immer sehr viel Energie in das Unternehmen reingegeben hat. Ob das jetzt negativ oder positiv war, sei dahingestellt, aber er hat das Unternehmen vorangetrieben. Und jetzt ist er hauptsächlich mit anderen Dingen beschäftigt, seit Jahren. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb in der Modellpolitik nicht so richtig viel vorangeht. An seiner Stelle hätte ich versucht, so schnell wie möglich Märkte zu erobern, schließlich hatte er mit Tesla einen gewaltigen Vorsprung. Und diesen Vorsprung geben die gerade schon her.

JD

Ja, die geben den an die Chinesen ab, also nicht an die Europäer, an die Chinesen, ohne Zweifel. Das hätten sie besser machen können, also das ist ein negativer Teil von Elon Musk. Wenn ich seine Unternehmen durchgehe, dann sieht man das immer wieder. Er ist extrem engagiert am Anfang, also SpaceX zum Beispiel oder Starlink, extrem engagiert und dann flacht er ab. Also man könnte da eigentlich noch Wesentliches machen. Macht er aber nicht. Das liegt aber auch an seiner Persönlichkeit, an seinem Lebenswandel. Der ist doch jetzt beim 12. Kind oder so und bei der fünften Frau…

WP

Es sind meines Wissens 14 Kinder und vier Frauen. Er braucht halt immer ein neues Spielzeug. Er ist eher so ein Typ, wie heißt der, die kann man in diesen psychologischen Clustern ablesen…?

JD

Ganz oben rechts.

WP

Ja genau, der marschiert eben am Anfang, gibt brutale Energie und dann wird es ihm langweilig. Dann kennt er alles und sucht was Neues. Und jetzt ist er in der Politik, jetzt kann er das ganz große Rad drehen.

JD

Also das ist schon phänomenal. Er ist eine Persönlichkeit dieser Zeit. Wir hatten ja Jack Welch als den Manager des letzten Jahrhunderts. Ich vermute mal, dass Elon Musk für dieses Jahrhundert ähnliche Ambitionen hat. Ich denke, wir durchblicken ihn noch nicht ganz. Also er sich vielleicht auch nicht. Das ist auch oft ein Phänomen bei solchen Menschen. Und natürlich würde ich mir wünschen, dass er besser kommunizieren könnte. Also er kann nicht reden, er kriegt ja keinen Satz fertig. Und wenn man Interviews von ihm hört, die sind alle hinterher frisiert worden. Wenn er selbst vor der Kamera steht, dann ist es ganz, ganz schwer. Also da ist schon noch Potenzial drin für ihn. Und, wie gesagt, er stellt auch eine Gefahr für die Welt und jeden Einzelnen dar. Finde ich schon.

WP

Immerhin hat er es auch geschafft, dass seine Marke, dass sein Produkt teils unverkäuflich wird. Vor drei Wochen in LinkedIn hat eine Unternehmerin gepostet, sie verkauft jetzt ihren Tesla, sie setzt ein Zeichen. Dachte ich: Süß, aber okay, ist ein Zeichen, kann man machen. Jetzt hat sie vor ein paar Tagen gepostet, dass sie ihn nicht loskriegt.

JD

Aber das war ja auch die falsche Aussage. Die hätte ihn verschrotten müssen. Also das wäre konsequent gewesen.

WP

Jedenfalls kriegt sie ihn nicht los. Und ich glaube, jetzt hat sie sogar beschlossen, ihn zu verschrotten. Aber wenn ein Gründer einer Firma diese Wirkung hat auf Kunden, auch wenn es nur Einzelne sind, dann finde ich, sollte man ihm wünschen, dass er vielleicht mal in sich geht und überlegt, was er da tut. Dass er ein größerer Menschenfreund wird und dass es nicht immer nur im Leben um Macht und sowas geht. Vielleicht klingt das zu esoterisch?

JD

Das kann man sich wünschen. Aber wenn ich in die Geschichte schaue, dann haben sich solche Menschen immer genau in die andere Richtung entwickelt. Das heißt, wenn Personen diese Macht haben, dann werden sie sie ausnutzen. Dann interessieren die Meinungen anderer Leute auch überhaupt nicht. Also das, was er in den USA macht, stößt ja bei einigen auf Unverständnis. Und es regt sich der Widerstand. Aber momentan haben sie keine Chance. Sie sind nicht organisiert, die Gerichte funktionieren nicht mehr. Die USA haben ein besorgniserregendes Stadium erreicht, sehr besorgniserregend. Die sind in einer kritischen Situation. Jetzt sage ich mal von meiner internationalen Perspektive aus, glücklicherweise auf einem Kontinent. Die können da noch eine ganze Menge machen, aber sie können natürlich auch ganz viel zerstören. Also wenn Elon Musk angekündigt, Starlink in der Ukraine abzuschalten, dann haben die mit ihren Waffen keine Möglichkeit mehr. Also das sind vor allem ferngesteuerte Drohnen, die im Moment den Erfolg des Widerstandes ermöglichen. Und ohne Starlink geht das nicht.

WP

Damit greift Elon Musk massiv in Dinge ein, von denen er die Finger lassen sollte eigentlich.

JD

Ja, aber das kann man solchen Leuten nicht sagen. Man kann ihnen nur Barrieren vorschieben, was ein vernünftiger Staat kann, aber wenn du sozusagen ein vernünftiges Staatsstadium verlassen hast, dann gibt es kein Halten mehr.

WP

Also zum Ende kann man zusammenfassend sagen, marken- und marketingtechnisch bis zu dem Punkt brillant, ab dem es so leicht ins Wahnsinnige tendiert.

JD

Es ist immer noch brillant im Wahnsinn. Also es ist einfach so, wenn er das, was er gerade macht, konsequent weitermacht, dann kommt er noch höher.

WP

Ja, aber nur er als Person. Und das ist ja genau das Thema, das uns interessiert. Wie weit kann das gehen? Also wie weit reicht die Loyalität seiner Markenjünger? Wenn die dann auch irgendwann mal merken, dass das, was er da so tut, vielleicht alles in allem gar nicht so toll ist?

JD

Also wie gesagt, da kann ich nur an die Geschichte erinnern. Bei manchen Staatsführern ging das bis in den Tod. Also ist doch leider so.

WP

Foto: ERIC LEE/The NewYorkTimes/Redux/laif

Stellst du politische Führer mit den Führern von Marken gleich?

JD

Also wenn du einen Tesla hast und die Vorteile deines Autos genießt, zum Beispiel das Self-Driving, dann wirst du ihn nicht abgeben. Weil es keine Alternative gibt.

WP

Okay.

JD

Es gibt keine Alternative. Die S-Klasse kann nur bis 60 km/h Self-Driving. Und du kannst nicht über den Acker fahren damit. Natürlich hat der Tesla auch seine Restriktionen, aber es gibt keinen Grund, das Produkt aufzugeben. Es gibt sicherlich welche, die das machen, aber es sind wenige.

WP

Das ist aber genau der Punkt, auf den ich raus will. Er macht die Marke angreifbar. Aus meiner Sicht aus egoistischer Machtgier oder aus irgendwelchen anderen Gründen, macht er sie angreifbar. Er bringt die Leute unnötigerweise in einen Loyalitätskonflikt.

JD

Also wenn ich als vernünftiger Markenmanager operieren würde, dürfte ich das nicht machen. Aber da er nicht in die Kategorie vernünftig reingehört und noch nie reingehört hat, ist das für ihn überhaupt kein Kriterium. Und da er für sich höhere Ziele als dieses eine Markenprodukt sieht, kann ihm das egal sein. Er hat ja auch bei X viele Leute verloren, also 40 Prozent. Da ist er aber drüber weggegangen, weil ihm sein Erfolg auf der anderen Seite viel, viel, viel wichtiger war. Und dasselbe gilt auch für Tesla und für seine anderen Marken. Deswegen hat dieser Wahnsinn System und ist kontraproduktiv für die Marke. Aber er ist getrieben. Also solche Leute können eigentlich nur durch staatliche Regulierungen kontrolliert werden und wenn es diese Regulierungen nicht gibt, dann gehen sie einfach über alles hinweg.

WP

Alles klar. Und dann muss man natürlich noch ergänzen, Waldemar, dass er eigentlich auch keine unternehmerischen Ziele mehr hat.  Also was soll das denn auch? Wie viele Milliarden umfasst sein Privatvermögen? Ist doch vollkommen egal, ob er das Doppelte oder das Dreifache oder die Hälfte hat.

JD

Genau. Das ist jenseits von Gut und Böse.

WP

Foto: Brandon Bell/Pool Getty Images North America/AP/dpa

Also gut. Aber ich glaube, das ist ein ganz gutes Ende von unserem Gespräch. Auch wenn ich wieder stundenlang mit dir weitermachen könnte.

JD

Leider ist es tragisch. Sehr tragisch.

WP

Irgendwie schon, leider wahr. Waldemar, dieses Jahr müssen wir echt anstreben, dass wir mal zusammen eine Flasche schönen zypriotischen Rotwein vernichten.

JD

Es gibt noch keinen so guten, also ich bin noch heftig am Suchen.

WP

Dann nehmen wir einen griechischen, die machen hervorragende Weine.

JD

Okay, wunderbar. Bis zum nächsten Mal.

WP

Danke und bis zum nächsten Mal.

JD
Autor
Jörg Dambacher
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