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Wie steht es um die Stimmung in Deutschland in Bezug auf die Heim-EM? Wir wollten verschiedene Stimmen aus verschiedenen Bereichen einfangen und ein breites Meinungsbild abbilden. Wie wirkt sich denn nun die EM wirklich auf unsere Wirtschaft aus und was hat es mit den Sponsoren auf sich? Am Ende kann sich jeder seine eigene Meinung bilden, wie er oder sie dieses Großereignis bewertet. Eins ist es mit Sicherheit: Groß und laut.
12 Mio. Gäste werden zur EM erwartet. Das klingt nach einem Riesenschub für unsere Wirtschaft. Dass dem nicht so ist, zeigen Auswertungen von vergangenen Groß-Events. Demnach lösen Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympia, dort wo sie ausgerichtet werden, nur selten einen Wirtschaftsboom aus. Hotels, Restaurants oder Kneipen nehmen weniger Geld ein als angenommen. Das haben mehrere Analysen der WM 2006 in Deutschland bewiesen. Damals waren zwar viele ausländische Fans zu Gast, diese haben jedoch nicht so viel Geld ausgegeben wie gedacht. Hinzu kommt laut Expert*innen der Verdrängungseffekt. Das heißt, Fans kommen zu Besuch und geben Geld aus, dafür kommen jedoch andere Gäste nicht. Laut einer Hotelleiterin in Dortmund werden durch sportliche Großereignisse Stammgäste verjagt. Firmenkunden beispielsweise meiden für 4-6 Wochen Dortmund. Auch bei anderen sportlichen Großevents zeigen Statistiken aus der Vergangenheit, dass die Übernachtungszahlen unter dem Strich nicht steigen.
Ein solches Sportgroßereignis kurbelt die Wirtschaft nicht an. Es kann ein kleines Strohfeuer in ein, zwei Wochen entfachen.
We didn’t start the fire
Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Oliver Holtemöller verfasst momentan eine Studie zu dem Thema und kommt zu dem Schluss: "Ein solches Sportgroßereignis kurbelt die Wirtschaft nicht an. Es kann ein kleines Strohfeuer in ein, zwei Wochen entfachen. Das wird dann auch wirklich die Menschen beflügeln. Man nennt das den 'Feelgood-Effekt', dass die Stimmung steigt. So etwas kann sich regional branchenbezogen und kurzfristig positiv auswirken. Aber langfristige, substanzielle ökonomische Effekte gehen davon nicht aus." Eine weitere Studie kommt zu demselben Ergebnis. Nach der WM 2006 in Deutschland untersuchte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die ökonomischen Effekte der WM. Die Analyse kam zu dem eindeutigen Schluss: "…Der kurzfristige wirtschaftliche Impact, den viele sich erhofft und herbeigeredet hatten, trat nicht ein; von der in Deutschland 2006 ausgetragenen Fußball-WM sind erwartungsgemäß keine nennenswerten konjunkturellen Impulse ausgegangen." Und auch für die EM 2024 erwartet das DIW auf Anfrage hin keinen wirtschaftlichen Aufschwung.
Chinesische Firmen wollen eine Markenpräsenz in Europa aufbauen und auch bei einem globalen Publikum bekannter werden.
Europameister: China
Chinesische Marken dominieren die Fußball-EM 2024: Fünf der 13 offiziellen und weltweiten Hauptsponsoren, darunter BYD, Alipay und Vivo, stammen aus China. Bei der Heim-EM stammen mit Adidas, Lidl und Engelbert Strauss nur drei der Hauptsponsoren aus Deutschland. Simon Chadwick ist Professor für Sport und geopolitische Wirtschaft an der Skema Business School in Paris. Er unterrichtet auch an der UEFA Academy, die Aus- und Weiterbildungen anbietet. Aus seiner Sicht geht es bei der EM-Werbung um mehr als den wirtschaftlichen Erfolg einzelner Unternehmen: “Dahinter steht auch eine geopolitische Strategie.”
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Für China sei das Turnier eine Gelegenheit, sich als ein legitimes Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu präsentieren. „Chinesische Firmen wollen eine Markenpräsenz in Europa aufbauen und auch bei einem globalen Publikum bekannter werden.“
Währenddessen wird China vorgeworfen, durch unrechtmäßige Subventionen den Automobil-Markt zu fluten. Die EU will dagegen vorgehen und möglicherweise Strafzölle gegen China verhängen. „Was China im Wesentlichen sagt, ist: Wir haben das Geld, wir haben die wirtschaftliche Stärke, wir haben die Beziehungen, wir haben das Netzwerk, wir haben das Selbstvertrauen, um solche Verträge anbieten und abschließen zu können“, sagt Simon Chadwick. Der E-Auto-Hersteller BYD stellt bei der EM beispielsweise eine Flotte an Fahrzeugen bereit. Das passt zur Nachhaltigkeitsstrategie des Events.
Zwei weitere Sponsoren des Turniers stammen aus dem Alibaba-Konzern: die Online-Handelsplattform Ali Express und das Online-Bezahlsystem Alipay+. Letzteres wird in China von fast 900 Millionen Menschen für Onlinebanking, Einkäufe oder Taxibestellungen genutzt, wodurch die Nutzer zu gläsernen Bürger*innen werden. Laut einer Studie europäischer Datenschutzbehörden haben chinesische Sicherheitsbehörden umfassende Zugriffsrechte auf alle Kommunikationsschnittstellen, die von dortigen Unternehmen betrieben werden.
Ich sehe das sehr ambivalent. Auf der einen Seite ist klar, dass die Chinesen hier Sportswashing betreiben, um sich Märkte zu sichern und ihr Image zu fördern, sagt Klaus Brüggemann, Dozent für Sportökonomie an der privaten Hochschule DHfPG. „Andererseits darf man nicht vergessen, dass der europäische Fußball in China seit Jahren hohe Erlöse mit TV-Rechten erzielt. Wir haben es also mit einem Austausch von Märkten zu tun.“
Alles in allem scheint das großspurige Sponsoring der Chinesen ein fragwürdiges Unternehmen zu sein, vor allem vor der wirtschaftlichen und politischen Lage in Europa und der Welt.
Auf der einen Seite ist klar, dass die Chinesen hier Sportswashing betreiben, um sich Märkte zu sichern und ihr Image zu fördern,
Stuttgart 24? Dafür blecht der Steuerzahler!
Der Bund verweist in einer Anfrage der Linken auf Ausgaben in Höhe von fast 40 Millionen Euro für das Sportereignis. Das Geld fließt zum Beispiel in Veranstaltungen gegen Rassismus, Kulturprojekte, das Rahmenprogramm selbst, aber auch in Fahrradinfrastruktur. Hinzu kommen Ausgaben, die Städte und Bundesländer zu großen Teilen finanzieren. Stuttgarts Gesamtaufwand für den Stadionumbau beläuft sich inzwischen auf gut 140 Millionen Euro, Hamburg investiert 25 bis 30 Millionen Euro und Berlin rund 82 Millionen Euro in Olympiastadion und Fanfest.